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Helvetien ober die Schweiz. 
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bilden zu beiden Seiten einen schmalen Durchgang oder ein 
gespaltenes Thal, durch welches die D ra n se sich mit schaum¬ 
bedeckten Fluthcn stürzt, und selbst, von irgend einer Erdre¬ 
volution unterstützt, in den grauen Zeiten der ersten Weltal- 
tcr den Durchgang sich öffnete. Die letzten Stunden vor Or- 
siercs kann man sich nichts malerischeres und romantischeres 
denken, als die wilde Alpennatur dieser Thäler, welche den 
Namen Val deBag-nes*) UnbVal d’ Entremont führen. Wiesen 
und sparsame Felder; Wälder von Lerchenbaumen, Fichten 
und Birken; schroffe, graufarbige, tausend und mehrere Fuß 
senkrecht emporsteigende Bergzacken, zuweilen bebaut, zuweilen 
von schmalen Tannenstreifen bekränzt, oder mit einem düsteren, 
spärlichen Grün gepolstert oder von Steintrümmern und Rui¬ 
nen bedeckt, deren ungeheure Massen überall und bis ins Bette 
des Fluffes zerstreut liegen. Man möchte fast an dem Da¬ 
seyn einer organisirten Natur zu verzweifeln anfangen, wenn 
man nicht von Zeit zu Zeit durch gemähete Wiesen, oder durch 
Hanf- und Bohnenäcker, durch die Begegnung einiger Reisen¬ 
den, und durch die Ziegen, die malerisch an den steilsten und 
unzugänglichsten Spitzen hängen, so wie durch ihre Hirten, 
wild und stink wie ihre kärglichen Hcerden, wieder davon ver¬ 
gewissert würde. Die Dranse ist die stete Begleiterin des 
Reisenden, der bald über ihrem Bette sich erhoben, bald dicht 
an ihre Ufer gedrängt erblickt. Das Rauschen und Brausen 
ihrer stürzenden, mehr wüthenden als strömenden, und stets 
schaumbedeckten Wogen betäubt das Ohr, und schallt grausend 
durch das immer mehr sich engende Thal. Vor Orsieres 
geht man von ihrem rechten auf ihr linkes Ufer über, mittelst 
einiger Baumstämme oder Balken, die von einem Felsen zum 
andern, ohne weitere Befestigung, gelegt sind, was man hier¬ 
zu Lande eine Brücke nennt. Auf dieser sogenannten Brücke, 
einige hundert Fuß über dem Schlunde des tobenden Flusses 
schwebend, kann man an jeder Seite des Felsens, von oben 
bis unten, deutliche Einschnitte als Spuren der verschiedenen 
*) Dies ist das Thal, welches durch das Herabstürzen eines unge¬ 
heuern Eisstückes gesperrt wurde, und wo nachher die gewaltige Ueber- 
schwemmung entstand, von welcher oben (S. 48 u. 49) geredet ist.
	        
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