Helvetica oder die Schweiz.
411
sonders die untere Stadt fast aus lauter Fabrikanten bestand.
Aber viele haben sich wegen Nahrungslosigkeit fortgezogen. Noch
jetzt sind die Uhrmacher hier sehr zahlreich; die eine Straße
ist fast ganz von ihnen bewohnt. Auch ist hier eine Fabrik für
Shawls, die den ostindischen an Feinheit nichts nachgeben. Wie
wohlhabend die Stadt sey, sieht man besonders an der unglaub¬
lichen Menge von Landhäusern, mit denen die Stadt nach allen
Seiten hin umgeben ist. Der ganze Kanton ist mit prächtigen
Landsitzen wie bedeckt.
22. Der Kanton Neufchatel (spr. Nöschatell)
oder Neuen bürg.
Er besteht aus lauter Thälern und Bcrghöhen des Iu-
ragebirges, und wird von einem fieißigen, muntern, franzö¬
sisch sprechenden Völkchen bewohnt. Nirgends sind hier Schnee¬
berge und Gletscher; doch wird steißig Alpenwirthschaft getrie¬
ben. Besonders aber beschäftigen sich die Einwohner mit
Verfertigung von Uhren und Spitzen. Sonderbar ist hier
die Verfaffung. Der Kanton gehört nämlich dem König
von Preußen, der ihm aber erlaubt hat, sich an die an¬
dern Kantone Helvetiens anzuschließen; auch hat er den Ein¬
wohnern den größten Theil der Negierung selbst überlassen.
Der Hauptort ist
Neufchatel oder Neuenburg an dem Neuenburgersee. Die
Stadt ist recht schön und reinlich gebaut, und daS verdankt sie beson¬
ders der Vaterlandsliebe zweier Einwohner. Der eine, David
Pury, hatte sich als Kaufmann in England und Spanien viel
Vermögen erworben; als er 1786 in Lissabon starb, vermachte er
sein Vermögen, das aus mehr als einer Million Thaler bestand,
seiner Vaterstadt zu wohlthätigen Zwecken und zur Verschönerung
der Stadt. Ein andrer reicher Kaufmann, Pour tales, baute
ein schönes, großes Krankenhaus, und stattete die Anstalt mit
200,000 Thaler aus.
Wichtiger als die Hauptstadt sind einige Thäler, in de¬
nen der Fabrikfleiß recht eigentlich zu Hause ist. Das eine,
nahe an der Gränze von Wadt, heißt
Val travers. Es ist ein enges, zwischen zwei hohen Berg¬
ketten deS Jura eingeschlossenes Thal. Rechts fährt man dicht
an der einen Bergreihe hin, «und links ist ein fürchterlicher Ab-