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Italien. 
9. Das Königreich Neapel. 
Man nennt es auch das Königreich beider Sicilien, ver¬ 
steht aber dann zugleich auch die Insel Sicilien darunter, weil 
beide Einem Könige gehören. Die aus dem Kirchenstaate kom¬ 
menden Apenninen lagern sich über das ganze Land, und zie¬ 
hen sich mit ihren Seitenzweigen bis an die Seeküstcn hin. 
Ein Zweig tritt ein weites Stück in das adriatische Meer 
hinein, und bildet gewissermaßen den Sporn des Stiefels. 
Man nennt diesen Vorsprung den Berg Gargano. Im 
Südosten bildet das Meer den großen Meerbusen von Tarent. 
Wo gäbe cs ein schöneres Land als Neapel! Alles, was 
oben Schönes von Italiens Milde und Lieblichkeit gesagt wor¬ 
den ist, findet im vorzüglichsten Maßstabe auf Neapel Anwen¬ 
dung, und selbst der hohe Aschen - und Lavakcgel Vesuv 
dient mit seinem ewig rauchenden Crater nur dazu, das Bild 
des ewigen Frühlings und der lachendsten Natur noch mehr 
zu heben. Nur in den Gebirgen ist der Winter von Dauer, 
und mit Schnee und Eis begleitet. Im tiefen Lande ist cs im 
Winter dann und wann wohl feucht und rauh, aber selten 
bis zum Frieren des Wassers; daher haben auch die Einwoh¬ 
ner gar keine Anstalten zum Erwärmen ihrer Zimmer. Desto 
heißer ist die Mittagsgluth im Sommer, am meisten, wenn 
der glühende Sirocco weht.' 
Waren schon die Nord- und Mittelitaliener lebhaft, so 
sind es die Neapolitaner noch mehr. Ein dunkles Feuer glüht 
aus ihren schwarzen Augen, und ihre Lebhaftigkeit ist so stür¬ 
misch, daß sie alles schreiend und lärmend verrichten. Mehr 
werden wir über sie bei der Stadt Neapel sagen. Das Land 
wird von einem König regiert. Für Beförderung des Fleißes, 
der Wissenschaften, der Künste, der Fabriken und des Han¬ 
dels wird wenig gethan, und das Volk ist daher in tiefer 
Unwissenheit und in crassem Aberglauben. 
Wir setzen nun unsere Reise von Rom nach Neapel fort. 
Sobald wir den Kirchenstaat verlassen haben, und ins Nea¬ 
politanische getreten sind, finden wir eine ganz neue Na¬ 
tur. Der bis dahin schlecht angebaute Boden ist verschwun¬ 
den; die ganze Natur athmet ein Leben, welches man weit
	        
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