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41. Der Wolf und der Luchs.
Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war und als die Mut¬
ter hörte, auf welche Art es zu dem großen Reichtum gekominen war, wollte
sie der andern, häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen.
Sie mußte sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule
blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß die Hand in die Dornhecke.
Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie
kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging ans demselben Pfade wei¬
ter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: „Ach, zieh' mich
'raus, zieh' mich 'raus, sonst verbrenn' ich, ich bin schon längst ansgebacken!"
Die Faule aber antwortete: „Da hätt' ich Lust, mich schmutzig zu machen!
bleib' sitzen, bis du schwarz wirst!" und ging fort. Bald kam sie zu dem
Apfelbaum, der rief: „Ach, schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle
mit einander reif." Sie antwortete aber: „Du kommst mir recht, es könnte
mir einer auf den Kopf fallen!" und ging weiter. Als sie vor der Frau Holle
Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon
gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tage that sie sich
Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte;
denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde. Am zweiten
Tage aber fing sie schon an zu faulenzen; am dritten noch mehr, da wollte
sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett
nicht, wie sich's gebührte, und schüttelte es nicht, daß die Federn aufflogen.
Des ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Das
wae die Faule wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen.
Die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor; als sie aber darunter stand,
ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist
zur Belohnung deiner Dienste!" sagte die Frau Holle und schloß das Thor zu.
Da kam die Faule heim und war ganz mit Pech bedeckt; und der Hahn auf
dem Brunnen, als er sie sah, rief: „Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist
wieder hie!" -— Das Pech blieb aber an ihr hangen und wollte, so lange sie
lebte, nicht abgehen. Br. Grimm.
41. Der Wolf und der Fuchs.
(Märchen.)
Der Wolf hatte den Fuchs bei sich, und was der Wolf wollte, das
musste der Fuchs thun, weil er der Schwächste war; und der
Fuchs wär’ gern des Herrn los gewesen. Nun trug es sich zu, dass
sie beide durch den Wald gingen, da sprach der Wolf: „Rotfuchs,
schaff’ mir was zu fressen, oder ich fresse dich!“ Da antwortete der
Fuchs: „Ich weiss einen Bauernhof, wo ein Paar junge Lämmlein sind;
hast du Lust, so wollen wir eins holen!“ Der Wolf war's zufrieden,
und sie gingen hin, und der Fuchs stahl das eine Lämmlein, brachte
es dem Wolf und machte sich fort. Da krass es der Wolf aut, war
aber damit noch nicht zufrieden, sondern wollte das andere dazu
haben und ging, es zu holen. Weil er es aber so ungeschickt machte,
ward es die Mutter vom Lämmlein gewahr und fing an entsetzlich zu
schreien und zu bläen, dass die Bauern herbeigelaufen kamen. Da