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(Sr ft er Abschnitt.
Geographie der Pflanzen.
8- 197. Bedingungen der Vegetation.
Das Vorkommen einer Pflanze an einer bestimmten Stelle und die Aus¬
breitung ihrer Art über einen bestimmten Raum hängt von dem Zusammen¬
treffen verschiedener physikalischer Ursachen ab. Insbesondere bedarf jede
Pflanze zu ihrem Gedeihen:
1) einer gewissen Beschaffenheit des Bodens (Stein-, Salz-, Sandpflanzen), doch
vermögen viele Pflanzen auf sehr verschiedenem Boden zu wachsen;
2) einer bestimmten Menge von Feuchtigkeit;
3) von Licht, das ein allgemeines Bedürfnis der Pflanzen ist, doch brauchen
verschiedene einen verschiedenen Grad von Helligkeit;
4) einer bestimmten Wärmemenge, um ihre völlige Entwickelung zu erreichen,
einige brauchen dazu eine sehr geringe, z. B. die Gletscherpflanzen, andere eine sehr
hohe, einige ertragen keine Hitze, andere keine Kälte. Die Lärche erträgt — 32° K.,
viele Palmen gehen bei + 8° aus, in der Sahara wachsen Pflanzen bei -s-60°,
Alpenpflanzen welken, wenn sie einige Tage -s- 8° aushalten müssen. Aber nicht die
mittlere Temperatur entscheidet über die Vegetation, sondern a) die Extreme derselben
und besonders die Sommerwärme: bei Enontekis wachsen noch Birken- und Fichten¬
wälder bei — 4,18° mittl. Temperatur, am St. Gotthardshospiz bei 0,84° gar keine
Bäume mehr, denn dort ist der Sommer im Mittel um 4° wärmer als hier; —
b) die Wärmesumme, welche einer Pflanze vom Keimen bis zur Reife zufließt, gleich¬
viel wie sie vertheilt ist. Gerste beginnt bei 4° zu keimen und reift da, wo sie eine
Wärmesnmme von 1200" erhält, daher geht sie nicht so weit nördlich als die Birke,
aber sie reicht in den Alpen höher hinauf als diese; warum?
8. 198. Standort, Vaterland, Verbreitungsbezirk, Wanderung
der Pflanzen.
Der Standort einer Pflanze wird durch die natürlichen Bedingungen
ihrer Existenz bestimmt; ihr Vaterland oder ihre Heimat ist die Gegend, in der
sie ursprünglich wild gelebt hat, ihr Verbreitungsbezirk reicht so weit, als
sie überhaupt angetroffen wird. Derselbe wird begrenzt durch die verschiedne
geogr. Breite, durch Gebirgsketten, Wüsten und besonders durch Meere. Am
besten gedeiht eine Pflanze nach dem mittlen Striche ihres Verbreitungsbezirkes
zu. Einige Pflanzen haben einen sehr kleinen Verbreitungsbezirk (Zimmt),
andre haben einen großen, der einen Gürtel um die ganze Erde bildet, etliche
sind über die ganze Erde verbreitet, z. B. die Brunnenkresse, die nur in
Australien fehlt, die Grasarten und verschiedne Kryptogamen. Im Allgemei¬
nen haben die Wasserpflanzen und die Pflanzen kultivirter Landstrecken den
weitesten Bezirk, die jährigen einen weiteren als die übrigen, den engsten die
Bäume. Einzeln vorkommende und gesellige Pflanzen; je reicher ein Land an
Arten, desto ärmer ist es an geselligen Pflanzen; warum?
Zuweilen erweitert eine Pflanze die Grenzen ihres Bezirks vermittelst der Art
ihren Samen auszustreuen. Insbesondere werden solche Wanderungen der Pflanzen
durch Winde, Flüsse, Meeresströmungen und durch wandernde Thiere, namentlich Vögel
begünstigt, am meisten aber durch den Menschen selbst bald zufällig bald mit Absicht.
Unsre meisten Nahrungs-, Industrie- und Zierpflanzen stammen aus fernen Gegen¬
den; Beispiele.
§. 199. Flora, Physiognomie der Erdräume.
Sämmtliche Pflanzen eines Erdraumes bilden die Flora desselben. Jede
Erdgegend erhält vorzugsweise durch ihre Flora ihren eigenthümlichen Cha-