56 Asien.
keine Volkszählungen anstellt und bei Nomadenvölkem gar nicht anstel¬
len kann, auch die Gebornen und Gestorbenen nicht, wie bei unj in
ordentliche Register einträgt, nach welchen man die Zahl der Lebenden
berechnen kann, so ist es unmöglich nur irgend genaue Angaben zu ma¬
chen. Die Beschäftigung der E. ist sehr verschieden; einige, vorzüglich
die Griechen, treiben Ackerbau und Viehzucht, wiewohl nachlässig, denn
brächten sie cs auch durch ihre Arbeit zu einem Grade von Wohlstand,
so würden sie nur um so mehr den Erpressungen der Türkischen Beam¬
ten, die auch hier wahre Despoten und Tyrannen, vorzüglich gegen
Ungläubige sind, ausgesetzt sein. Die Türken unterhalten Seiden -
und Baumwvllcnfabriken, welche köstliche Waaren liefern, bereiten herr¬
lichen Saffian und schöne Metallwaaren, vorzüglich geschätzte Waffen;
auch verstehen sie die Färberei und Stickerei vortrefflich. Die Armenier
und Juden treiben den meisten Handel, der sowohl zu Lande durch Ka¬
rawanen, wie in ganz S. und Mittel Asien, als auch zur See mit den
Europäischen Nationen, besonders Engländern, Franzosen, Italienern
und Ocsterreichern, sehr beträchtlich ist. Von den Sitten der Türken
haben wir uns schon bei der Europäischen Türkei unterrichtet; die ande¬
ren Nationen werden wir bald einzeln kennen lernen; jetzt nur einige
Morte über die Bewohner des Orients im Allgemeinen. Die Orien¬
talen oder Morgenländer sind in den meisten Stücken das Gegentheil
von Europäern, so wie sie schon ihrer Religion nach, größtenteils Mu-
hamedaner, Feinde der Europäer sind. Daß ihre Regierungsform in
ordentlichen Staaten despotisch, bet Nomaden patriarchalisch ist und
daß man eingeschränkte Monarchien oder gar Freistaaten gar nicht kennt,
habe ich schon in der Einleitung gesagt. So despotisch der Fürst im
Staate herrscht, eben so unumschränkt gebietet der Hausvater in seiner
Familie. Jeder kann mehre Frauen nehmen, aber sie sind fast seine
Sklavinnen, die er mit Eifersucht bewacht und vor den Augen aller
Menschen verbirgt und in den entlegensten Theilen des Hauses, Ravern
genannt, wohnen läßt. Statt freier Dienstboten hat man hier nur
Sklaven, die wie Hausthiere auf dem Markte gekauft werden und ganz
der Willkühr des Herrn überlassen sind. Um die Erziehung der Kinder
bekümmert man sich wenig und vorzüglich wachsen die Mädchen in der
größten Unwissenheit auf. Die Lebensart des Morgenländcrs ist höchst
einfach, und man kann ihn gegen uns Europäer wohl genügsam nennen.
Die unzähligen Hausgeräthe, Getränke, Speisen und Ergötzungen, die
wir haben, kennt er meistentheils nicht. In den Zimmern findet man
nichts als Polster und Teppiche und bei der Mahlzeit niedrige Tische;
einfache Decken vertreten größtentheils die Stelle der Betten; man
schreibt auf den Knien; ißt mit den Fingern ohne Gabel und Messer
und liegt auf Polstern, wo wir sitzen oder stehen. Der Morgenländer
liebt die Gemächlichkeit und haßt jede Anstrengung; Spaziergänge, starke
Bewegungen, lebhafte Unterhaltungen, Tänze und Arbeiten im Stehen