Full text: Heimatkunde der Provinz Westfalen

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2. Heidekinds Erlösung. 
Still liegt die Heide — Nachtduft umfließet 
Wochholderstrauch und duftend Kraut, 
und drüber gespenstisch Licht ergießet 
der Mond, der fahl vom Himmel schaut. 
Hier ruft ein Vogel, ein Käfer schießet 
dort schwirrend auf — sonst Stille weit — 
ties-süße Nacht zur Souuweudzeit. 
Nun knistert's im Moos, und Nebel wallen: 
Das Heidekind kommt mit dem bleichen Gesicht, 
Sonnfarben ihr Blick, rot die Locken ihr fallen, 
so wandert sie irr im Mondenlicht. 
Und seitwärts fernher formen und ballen 
die Nebel sich an in wirrem Gemäß, 
und über die Heide ziehn sie fürbaß. 
Da hört sie Tritte, da rauschet die Weide: 
Sie wendet den Blick. — Ha! Der Heidemann, 
da kommt er geschritten im Nebelkleide, 
das die dunkle Gestalt kaum bergen kann; 
Sein Mantel schwarz fliegt über die Heide, 
durch wallenden Dunst und Nebel dick 
funkelt und sprüht sein Feuerblick. 
Und rascher sie schreitet und rascher daneben 
folgt der Mann ihrer wirren Hast. 
Bald vorwärts läßt sie die Blicke schweben, 
bald rückwärts hält sie der Zauber gefaßt: 
Die Feueraugen sprühen und weben, 
und nahe, ganz dicht ist der mächtige Mann, 
nun fühlt sie ihn atmen, nun faßt er sie an. 
O, wie sich's ihr fest um die Schultern schmieget, 
es weht um die Waugeu sein Hauch ihr heiß — 
und als er das Köpscheu ihr aufwärts bieget, 
da muß sie ihu schauen — und beben leis? — 
Auf duuklem Gelock der Nebelhut wieget; 
sie schaut, bis die Augeu sie schließen muß, 
da brennt auf dem Mund sein berückender Kuß. 
Weit liegt die Heide, der Mondsirahl nieder, 
sie wandern dicht aneinander geschmiegt; 
sein Mantel verhüllt ihre zarten Glieder, 
sein langer Bart im Nachtwind fliegt. — 
Die Dünste weben hin und wieder: 
Und fern, wo Ginster und Distel steht, 
verrinnen die zwei, wie Zauber zergeht.
	        
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