Full text: Geographie und Geschichte sämmtlicher Provinzen des Preußischen Staats ([Erg.])

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Blickc tn die Vergangenheit Preußens. 
der Stadt — wie später auch in Königsberg. Alles grüßte ehrer¬ 
bietig, sie dankten heiter und mit graden Mienen. 
Da trat manche Thräne der Wehmuth über das Unglück des 
geliebten Königspaares in treuer Preußen Augen, und man gedenkt 
noch jetzt rührender Züge treuer Unterthanenliebe. Ein Mennonit, 
Abraham Nickel, und seine Frau, aus der Kulmer Weichselniederung, 
überreichte dem König 3000 Stück Friedrichsd'or, die in seiner Ge¬ 
meinde gesammelt worden waren. Der König möchte die Gabe aus 
treuem Herzen annehmen, und sie würden nicht aufhören, für ihn zu 
beten. Die Frau aber schenkte der Königin schöne frische Butter. 
Mit Thränen in den Augen reichte die Königin der Bauernfrau die 
Hand und hing ihr das eigne Tuch zum Gegengeschenk um. Der 
ernsie König aber übergab dem Bauer einen Schuldschein, in welchem 
er das Geld sammt Zinsen zu glücklicherer Zeit redlich wieder zu 
erstatten versprach. Im Jahre 1808 verließ der König Memel. Da 
erließ er ein Danksagungsschreiben an die Bewohner und sagte darin, 
es sollten ihm die vielen rührenden Beweise der Liebe und unerschüt¬ 
terlichen Treue in so schwerer Zeit unvergeßlich sein. — Als im Jahre 
1808 zu Königsberg die Prinzessin Luise geboren wurde, meinte der 
König, sie wären jetzt so verlassen, daß sie nicht wüßten, wen sie zu 
Pathen nehmen sollten. „Wie?" — erwiderte die Königin Luise — 
„sieht nicht das ganze Volk mit seiner Liebe zu uns?" „Ja", sprach 
der König, „Du sprichst aus meinem Herzen. Das Volk soll Pathe 
sein zu unserm Kinde." Und sogleich wurden Kindtauf-Briefe an die 
Ritterschaft, die Bürger und die Bauern gesendet: sie sollten alle ihre 
Abgesandten zu Zeugen bei der Taufe der Königstochter schicken, was 
denn auch geschah. — Unvergeßlich wird den Königsbergern der 
Sommer 1808 sein, den die königliche Familie auf den Huben, in 
einem schlichten bürgerlichen Landhause mit einem kleinen freundlichen 
Garten, verlebte. Ringsum war das Land von Feinden besetzt, be¬ 
drückt und ausgesogen; hier aber herrschte Freiheit, Freude und Friede. 
Hierher kamen am 3. August, am Geburtstage des Königs, alle Be¬ 
wohner, Männer, Frauen, Kinder, schmückten die Straße mit Blumen 
und Kränzen und brachten dem Könige ihre Wünsche und Gebete 
zum Angebinde. Und der König stand inmitten des ihm noch ge¬ 
bliebenen Häufleins und dachte bei sich: „Es ist mir noch immer das 
beste Theil geblieben!" — Doch gab es in dieser schweren Zeit auch 
Tage und Stunden, wo der König verzagte und die Königin wei¬ 
nend rief: „Mein Gott, warum hast du uns verlassen!" Da war 
und blieb der würdige Bischof Borowski Beiden eine mächtige Stütze 
und sprach voll Kraft und ohne Scheu wie ein Prophet: „Oft be¬ 
dürfen Staaten und Fürsten der Besserung. Die Schlacken müssen 
von ihnen weggebrannt werden, die im Glück an sie gekommen sind. 
Dazu sendet der Herr das Feuer der Trübsal. Aber der Fromme 
harrt aus; Gott weiß Maß und Ziel!" — 
Druck von Sraß, Barth und Coniji. (W. Friedrich) in Breslau.
	        
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