Full text: Geographie und Geschichte sämmtlicher Provinzen des Preußischen Staats ([Erg.])

31. Die vogtländische Landschaft in alter Zeit. 161 
dieses Wald- und Sumpfgebietes schildern. Welchen tiefen 
Eindruck die deutschen Gebirgswälder auf die Römer machten, 
zeigt schon die Benetlnung der deutschen Mittelgebirge als 
silvae oder saltus, d. h. Wälder, seltener als montss (Berge), 
und auf der Karte des Ptolemäus treten in Deutschland die 5 
Wälder und Sümpfe Viel stärker hervor als die Gebirge. 
Selbst unsere heutigen deutschen Namen, wie Frankenwald, 
Thüringer Wald usw. spiegeln noch den viel tieferen Ein¬ 
druck wieder, den der Wald gegenüber der Bodenerhebung 
hervorrief. Das Vogtland war ein Teil des größten Wald- 10 
gebietes, der Hsrezmia silva. Dieser Name ist keltischen Ur¬ 
sprungs und bedeutet ursprünglich weiter nichts als Berg¬ 
wald. Römer, Kelten und Germanen bezeugen also ein¬ 
mütig durch ihre Namengebung den Gebirgsurwald. 
Wie haben wir uns diese Urwaldlandschast vorzustellen? 15 
Es wäre natürlich ganz verkehrt, als Vorbild die Wälder der 
heißen Zone heranzuziehen, mit denen gegenwärtig der ge¬ 
wöhnliche Sprachgebrauch den Begriff Urwald verbindet. Reste 
des alten deutschen Urwaldes finden sich noch vereinzelt im 
Böhmerwald, wo sie künstlich erhalten werden, und an steilen, 20 
schwer zugänglichen Abhängen in den Alpen. Auch die kar- 
patischen und sibirischen Wälder können zum Vergleich heran¬ 
gezogen werden, da sie unter annähernd gleichen klimatischen 
Bedingungen wie der altgermanische Urwald stehen. 
Man wird leicht geneigt sein, sich diesen ehemaligen 25 
Urwald nach dem Vorbild unserer heutigen gepflegten Wälder 
als weite, hohe Hallen vielhundertjähriger Stämme vorzu¬ 
stellen, die in weiten Abständen voneinander stehen. So sah 
der vogtländische Urwald aber nicht aus. Wohl ragen uralte 
Baumriesen, wie wir sie jetzt nicht mehr haben, stolz empor, 30 
aber um sie herum wuchert ein üppiger Nachwuchs. Bäume 
jeden Alters stehen bunt durcheinander. Undurchdringliches 
Unterholz überzieht den ganzen Boden und bewirkt vor allem 
die gefürchtete Unwegsamkeit des Gebirgswaldes. Hiervon 
kann man sich noch jetzt einen, wenn auch nur schwachen Begriff 35 
machen, sobald man ein Stück ungepflegten, vogtländischen 
Bauerngehölzes quer zu durchdringen sucht. Zu dem Unter¬ 
holz gesellen sich Gräser, Kräuter und Farne an den feuchten 
Hiecke, Deutsch. Lesebuch, AuSg. Teil. Obertertia. 18. Aufl. H
	        
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