Dritt. Kap.: V. d. Zeitrechnung u. d. bürgerl. Jahre. 271
Drittes Kapitel:
Von der Zeitrechnung und dem bürgerli¬
chen Zahre.
§. 123* Von der Zeitrechnung.
Die Zeitrechnung oder Chronologie ist eine doppelte,
nämlich entweder mathematisch (allgemein) oder historisch (ge¬
schichtlich). Die historisthe Chronologie oder Zeitrechnung lehrt,
wie man nach gewissen angenommenen Zeitpunkten oder Aren die
Zeit, zu welcher irgend eine merkwürdige Begebenheit sich zugetra-
gen hat, zu berechnen habe, und ist eine der vorzüglichsten Hilfs¬
wissenschaften der Geschichte. Um nämlich Übersicht und Ordnung
in die Darstellung historischer Ereignisse bringen zu können, hat
man irgend einen fest bestimmten Zeitpunkt anzunehmen, von weü
chem man ausgeht. Ein solcher Zeitpunkt ist für die altere Ge¬
schichte die Er sch affung der Welt, und für die neuere Christi
Geburt. Der zwischen beiden Begebenheiten liegende Zeitraum
wird verschiedentlich, im Mittel zu ungefähr 4000 Jahren berechnet.
Gewöhnlich nimmt man 3,983 Jahre dafür an. Die bei uns jetzt
allgemein übliche Ara ist der Zeitpunkt von Christi Geburt, von wel¬
chem man sowohl vor-, als rückwärts zählt. — Die Römer
zahlten ihre Jahre nach der Erbauung Roms, d.i. 753 vor Christi
Geburt, oder auch nach dem Jahre der Vertreibung der Könige (610
vor Christo), und später, nach der Verbesserung des Kalenders durch
Julius Cäsar, nach diesem Zeitpunkte (45 vor Christo), welcher die
Julianische Are genannt wird. — Bei den Griechen waren die
olympischen Spiele, welche seit dem Jahre 776 vor Christi Geburt
alle vier Jahre zu Olympias in der Landschaft Elis gefeiert wurden,
als Nationalfefte, an denen nicht nur gymnastische Künste getrieben,
sondern auch die Geistesprodukte der Schriftsteller vorgelesen und
Arbeiten der Künstler ausgestellt wurden, so berühmt, daß sie die¬
selben zur Zeitrechnung wählten, und nach Olympiaden d. i. Zeit¬
räumen von vier Jahren rechneten, deren erster mit dem Jahre
776 vor Christo begann. Diese Spiele dauerten 293 Olympia¬
den hindurch bis gegen 400 nach Christo. Die Geburt Christi
fällt in das erste Jahr der 196. Olympiade. — Die älteren
Juden zählten ihre Jahre theils nach der Erschaffung der Welt,
theils nach ihrem Auszuge aus Ägypten (1483 vor Christo),