Full text: Die Kulturverhältnisse des deutschen Mittelalters

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k e n“. Dieser Brauch war uralt, denn schon beim altnordischen 
Gastmahl wurde der erste Becher zur Ehrung und „Minne“ 
(Gedächtnis, Andenken) Wodans, der zweite auf Thor und 
Freyja, der dritte auf das Gedächtnis berühmter Helden, der 
vierte auf das Andenken der aus dem Leben geschiedenen 
Helden geleert. Furchtbar war der „Minnetrunk“, den die Bur- 
gunden auf Hagens Vorschlag bei Etzels Gastmahl ab¬ 
halten (V, 1897), er bestand aus Blut statt des Weines. Solches 
Fest dauerte 3—1-1 Tage, zuweilen noch länger. Endlich 
nahmen die Gäste von Wirt und Wirtin Urlaub und verließen, 
vom W irt reich mit Gastgeschenken bedacht und eine Strecke 
Weges geleitet, die gastliche Burg. 
Es würde zu weit führen, wenn wir ausführliche Beispiele 
solcher Feste hier geben wollten. Darum begnügen wir uns mit 
dem Hinweis auf die besonders glänzenden 
Feste. Dahin gehören aus dem Nibelungenliede die 
Schwertleite Siegfrieds, das Siegesfest in 
W o r m s, Gunthers und Brunhildens Einzug in 
W orms und ihre Vermählung, Kriemhilds 
Empfang und Etzels Hochzeit zu Wien, auch 
Gunthers Hofgelage (V, 667—756) und die Fahrt 
der Burgunden zu Etzel; aus der G u d r u n das Hof¬ 
gelage Siegebands (V, 26—53), Hagens Schwert¬ 
leite und Hochzeit (169—193), die Hochzeit der 
vier Könige (1667—1687); aus Parzival Gawans 
V ermählung mit Orgeluse im Wunderschloß 
(Schastelmarv eil, 627 ff.), der Artush of in Joflanze 
(774 ff.), das Pfingstfest des Artus (Parz. 216 ff.); auch Tristan 
(523 ff.) entwirft ein kleines Bild davon. Eins der glänzendsten 
Feste war das Mainzer Reichsfest im Mai 1184, das 
schönste Zeugnis deutscher Kaiserherrlichkeit vor ganz Europa, 
gepriesen von allen Dichtern und Historikern jener Zeit 
(Schwertleite der Söhne Friedrichs I., mittelalterliche Pracht¬ 
entfaltung, Hochamt, Spiele, Gelage, Lustbarkeiten, Spielleute), 
an welchem soviel Wein vorhanden war, daß jeder ohne Maß 
schöpfte, und zwei große Häuser mit Geflügel gefüllt waren 
(vgl. die Schilderung in den Lesebüchern). Andere hohe Feste 
schildern uns die Balladen neuerer Dichter, zum Bei¬ 
spiel IT h 1 a n d s „K lein Roland“ (Karls Festmahl im 
Rittersaal, Goldpokale, Flöten, Saitenspiel, Gesang, auf dem 
Hofe Beköstigung der Bettler), „Roland Schildträger“ 
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