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Drittes Kap. Schauplaz der Begebenheiten.
Siz der Macht war von der alten Tarraco nach Karthago nova gekommen.
Zwischen den Städten phönizischen, karthagischen (B. I, S. 236)
oder einheimischen Ursprungs, deren viele noch stehend, viele in Ruinen
den alten Flor Hispanicns verkündeten, stiegen jezt auch römische Kolonien,
wie Augusta Emerita (Merida), Valentia, Cäsarangusta (Zaragoza) ans, und
wetteiferten mit jenen. Noch war der Reichthum der Gebirge unerschöpst, so
wie die Fruchtbarkeit des Bodens; noch zeichneten die Einwohner durch Tapfer¬
keit und erfinderischen Geist sich aus. Edle und große Männer traten auf
unter ihnen. Nichts fehlte, als der Segen der Freiheit.
Die Unterscheidung der vier gallischen Hauptprovinzen (s. B. II, Kap. 4.
§. 38) dauerte fort: doch erweiterte Augustus die Grenzen Aquitaniens bis
an die Loire. Das ccltische Gallien wurde jezt häufiger Lug dunen sis,
von seiner stolzen Hauptstadt Lugdunum (Lyon), geheißen. In das östliche
Belgien rückten immer mehr teutsche Stämme ein; daher das linke Rhein-
user von Hclvetien bis nach Holland den Namen Germania, mit der Unter¬
scheidung in Superior und inferior, bekam. Diese Provinzen boten einen
sehr ungleichen Anblick dar. Das narbonnensische Gallien, welches früher
und auf minder blutige Weise bezwungen worden, und bei dem Genusse eines
dem italischen ähnlichen Himmels schon länger die Einflüsse marseillischer
und römischer Gesittung erhalten, glich an Schönheit, an Reichthum und an
Menge blühender Städte dem cisalpinischen Gallien. Hier prangten
(außer Marseille) Tolosa, Nemausus, Arelate, Aquä Sextiä
mrd viele andere. Aber die übrigen Provinzen litten noch an den Wunden
der cäsarischen Kriege und an Resten alter Barbarei. Mehr, als eine Mil¬
lion Menschen, die Blüthe seiner Bevölkerung, hatte cs in jenen Kriegen
verloren, und später mußte es den kräftigsten Nachwuchs zu den Legionen
senden. Aus dem lebensreichen Gedränge seiner 300 freien Völkerschaften
war eine zahme Heerde geworden, und viele von den 800 Städten (Ort¬
schaften), welche Cäsar eingenommen, blieben verödet. Freilich hatten sie
meist nur aus elenden Hütten von Brettern und Stroh bestanden*). Aber
der natürliche Fortgang der Kultur, zu welcher die ersten Schritte schon ge¬
schehen waren, würde sie bald emporgebracht haben. Der Einfluß einer re¬
gelmäßigen Administration, die Anziehungskraft der bürgerlichen Gewalten
*) Dcrgl. Vitruvius, L. II, c. 1.