326
Winfrieds Tod.
Ich will, Herr!“ antwortete Ingram aufstehend mit leuchtendem Blick.
„So nimm Abschied von Weib und Kind; denn du sollst für den
Herrn unter Schild gehen.“
Unten im Hofe wogte das Volk wie Wellen des Meeres. Da der
Erzbischof heraustrat, fiel alles auf die Kniee und die Arme aufhebend
ging er langsam hindurch zum Schiffe. Dort wandte er sich noch ein—
mal, grüßte und segnete und lachte freundlich den Kindern zu, wache von
den weinenden Müttern aufgehoben wurden, damit sie den Mann Gottes
schauten. Ingram aber hielt seine Frau, welche stolz ohne Tränen neben
ihm schritt, die Augen fest auf ihn gerichtet, und mit der andern Hand
hielt er die Hände seiner drei Söhne. Und als er sich am Ufer von
den Seinen löste, faßte er die Schwurhand seines ältesten Sohnes, legte
die Hand des Knechtes Wolfram hinein und sprach zu diesem: „Sei du
ihm treu, wie du dem Vater warst!“
Die Schiffer lösten die Seile und rheinabwärts schwebte das Schiff.
Am Ufer lag das Volk auf den Knieen und sah dem Fahrzeug nach, bis
es hinter einer Biegung des Stromes verschwand.
Es war eine sonnige Fahrt, gleich einer langen Festreise. Wo eine
Kapelle stand auf den Höhen oder ein Kirchlein unten am Strom, da
drängten sich die Leute und läuteten die Glocken, wenn das Schiff kam
und abfuhr. Jeden Abend legten die Reisenden an, wo fromme Christen
wohnten. Herr Winfried stieg an das Land, begrüßte die Gemeinden und
ruhte unter dem Dache derer, die ihm vertraut waren, während Ingram
am Maste unter dem Kreuzesbanner lag und die Schiffswache hielt. So
fuhren die Reisenden den Rhein abwärts bis dahin, wo er zum See wird;
sie legten vor Utrecht an und nahmen den Bischof von Friesland, wel—
chen Winfried eingesetzt hatte, zu sich in das Schiff. Dann fuhren sie ost⸗
wärts bis zur Grenze der heidnischen Friesen. Dorthin hatte Herr Win—
fried im voraus das neubekehrte Volk geladen, damit er den Getauften
die Hand auflege und sie im Glauben befestige. Seine Boten waren durch
das ganze Friesenland gezogen und hatten seine Ankunft verkündet. An
der Mündung des kleinen Flusses Borne, welcher die christlichen und heid—
nischen Friesen trennte, landeten die Fahrenden kurz vor dem bestimmten
Tage in einer Bucht, wo die Flut einen Wall von zugetriebenen Baum—
stämmen aufgehäuft hatte. Der Erzbischof stieg an das Land, wählte die
Lagerstelle und umschritt weihend den Raum. Ingram ließ die Zelte
aufschlagen, den Graben schütten und das angeschwemmte Holz zum Walle
schichten.
Als er bei dem Walle stand, die Richtung maß und selbst die Pfähle
schlug, ging Herr Winfried bei ihm vorüber: „Du mühst dich emsig uns
mit Holz und Erde zu umschanzen; hast du auch darum gesorgt einen
über uns nach seinem Willen zu fragen? Denn er zieht die Schildburgen
und zerwirft sie ganz nach seinem Gefallen.“
ürne nicht, Herr, daß ich den Hammer bis über das Abend⸗
gebet schwinge; denn Warnung kam mir von den Leuten am Ufer; vieles
Raunen und wildes Gemurr verstört die Dörfer der Heiden und klein
ist die Zahl der Schilde, welche dein Haupt schützt.“