Full text: Bilder-Geographie für die Jugend

4. Der Übergang zum Angriff auf Rom. 257 
Seligkeit der christlichen Freiheit ganz geschwunden sei, ja sie vor der Tyrannei 
des Papstes dieselbe gar nicht kennen könnten. Zur Befreiung der Kirche 
von der römischen Knechtschaft hatte er jene beiden großen Schriften aus¬ 
gehen lassen; aber in der Kirche wußten die allerwenigsten, was des Christen 
Freiheit sei, worin sie bestehe. Es blieb ihm also noch die Aufgabe, sie 
hierüber zu belehren, und dem kam er noch im Oktober nach durch das 
Schristchen: „Von der Freiheit eines Christenmenschen," das somit 
als eine Ergänzung vornehmlich des Buches von der babylonischen Gefangen¬ 
schaft zu betrachten ist. Es erschien fast gleichzeitig in lateinischer und etwas 
kürzer in deutscher Sprache, eine Perle unter Luthers deutschen Schriften. 
Im christlichen Glauben unter Anfechtungen geübt, begann er, will ich 
für die Einfältigen etwas über die geistliche Freiheit und Knechtschaft schreiben 
und fasse das zusammen in die zwei Sätze: 
ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemand Unterthan; 
ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann 
Unterthan. 
Der erste Satz gilt vom innern geistlichen Menschen und meint, daß 
wir durch nichts Äußeres, es heiße nun, wie es wolle, zur Gerechtigkeit und 
christlichen Freiheit gelangen. Eins nur ist uns zum Leben notwendig, nämlich 
Gottes heiliges Wort, welches von Christo zeugt. Das Wort aber wird 
nicht durch Werke angenommen und angeeignet, sondern allein durch den 
Glauben, so daß auf diesen alles ankommt. Wo der Glaube in einem 
Menschen lebt, da ist Gesetzeserfüllung, da ist wahrer Gottesdienst, da ist 
Vereinigung mit Christo, vermöge welcher Christus seine Gerechtigkeit und 
alle seine Güter dem Menschen giebt und hinwieder all des Menschen 
Sünden und Übel auf sich nimmt. Ein solcher Mensch ist für sein Heil 
frei von allem und steht über allem; er bedarf keiner Werke mehr, um ge¬ 
recht und selig zu werden; er hat dies schon durch den Glauben. Aber heutzutage 
haben die Christen sich unter Menschenwerke und Satzungen beugen lassen, 
so sehr, daß sie nicht mehr wissen, was Gnade, Glaube, Freiheit, ja was 
Christus ist. 
Der zweite Satz gilt vom äußern Menschen und antwortet denen, die 
da sagen: „Wenn der Glaube allein gerecht macht, wozu dann noch Werke?" 
— Ja, wenn wir vollendet wären; aber wir Christen sind noch unvoll¬ 
kommen und leben noch im Fleische. Daher haben wir unsern Leib noch 
fortwährend zu bändigen und zu üben, damit er ein gefügiges Werkzeug 
des Geistes sei, und damit wir um so besser dem Nächsten dienen können; 
denn dies ist das zweite, was wir zu thun haben. Wir leben nicht uns, 
sondern wir leben dem Herrn und weil dem Herrn, darum allen Menschen. 
Der Glaube kann nicht muffig sein, sondern unablässig übt er sich in der 
Liebe und thut das gern. Vom Glauben getrieben thun wir alle guten 
Werke, aber nicht, um dadurch gerecht zu werden, sondern als solche, die 
schon im Glauben sich gerecht wissen und deshalb all jenen knechtenden 
Satzungen gegenüber frei dastehen. Wir können uns auch unter sie, unter 
das ganze Wesen des Papsttumes, beugen, aber als die Freien, die im 
Gewissen nicht dadurch gebunden sind, nur aus Liebe. Denen, welche aus 
den Werken wie bisher uns ein Gesetz machen wollen, widerstehen wir ins 
Bilder a. d. Gesch. b. deutschen Volkes. II. 17
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.