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Nacht Punkt 12 Uhr kulminirt und beobachtet ihn morgen wieder, so
wird man finden, daß er schon beinahe 4 Minuten vor 12 Uhr wie¬
der seine höchste Stelle erreicht hat. Nach etwas mehr als 15 Tagen
geschieht das schon um eine Stunde eher.
Die Sonne kulminirt demnach jeden Tag um beinahe 4 Minu¬
ten später, als die Sterne, fie bleibt also jeden Tag um etwa 4 Mi¬
nuten hinter den übrigen Sternen zurück. Während fie also an der
täglichen scheinbaren Bewegung der Himmelskörper von Ost nach West
Antheil nimmt, hat sie doch allem Anscheine nach noch eine besondere
-Bewegung von West nach Ost.
Die Zeit des scheinbaren täglichen Umlaufs der Sterne nm die
Erde nennt man einen Sternentag, die Zeit des Umlaufs der
Sonne einen Sonnentag. Ein Sonnentag ist also gegen 4 Mi¬
nuten länger, als ein Sternentag.
Bei dieser von West nach Oft gehenden Bewegung muß die
Sonne endlich nm den ganzen Himmel herumkommen. Wenn sie
also heute bei einem gewissen Sterne steht und von diesem nun weiter
und weiter zurückweicht, so muß sie nach einer gewissen Zeit wieder
mit demselben Sterne zusammentreffen. Das geschieht, wie genaue
Beobachtungen ergeben haben, nach 365 Tagen 5 Stunden 48 Mi¬
nuten 45 Sekunden, und diesen Zeitraum nennt man bekanntlich eirr
Jahr. Die Zeit eines Jahres ist also durchaus nicht willkürlich an¬
genommen, sondern wird bestimmt durch diesen — wirklichen oder
scheinbaren — Umlauf der Sonne um die Erde. Daher hat also ein
Jahr 365 Tage, und weil der Umlauf noch beinahe 6 Stunden mehr
beträgt, wird aller 4 Jahre ein Tag eingeschaltet. Da das aber
wieder etwas zu viel ist, läßt man alle hundert Jahre den Schalttag
wieder ans, unb »veil das wieder zu wenig ist, wird alle vierhundert
Jahre der Schalttag wieder hinzugenommen. *)
Die scheinbare Sonnenbahn. Die Bahn, welche auf diese
Weise die Sonne alljährlich zurücklegt, nennt man die Sonnenbahn
oder Ekliptik, die man sich als eine rings nm das hohle Himmels¬
gewölbe gezogene Linie denken kann. Sie führt an bestimmten Sternen
vorüber und geht so durch gewisse Sternbilder. Das sind die 12
Sternbilder (die 12 himmlischen Zeichen) des Thierkreises (Zodiakus),
der darum so heißt, weil bei vielen von den Sternbildern, die diesen
um den Himmel gehenden Streifen einnehmen, der Name von Thieren
*) Vor der Zeit des Jul. Cäsar rechnete man das Jahr nur zu 365 Tagen,
also zu kurz, und weil auf diese Weise endlich Unordnung in der Zeitrechnung
entstanden war, so traf Julius Cäsar die Einrichtung, daß jedes vierte Jahr
sSchaltjahrj zu 366 Tagen angenommen wurde. Da aber auch diese Annahme
noch nicht mit dem wirklichen Jahre übereinstimmte und im Jahre 1582 n. Chr.
der Frühlingsanfang nicht auf den 21., sondern auf den I I. März siel, so ver¬
ordnete Papst Gregor XIII., daß man nach rem 4. Oktober d. I. gleich den
15. Okcober schreiben und daß man alle 400 Jahre 3 Schalttags auslasten
sollte. Diesen neueingerichteten Kalender nennt man den Gregorianischen. Die
Protestanten haben ihn erst später und die Russen und Griechen noch gar nicht
angenommen.