Full text: Handbuch der Geographie für die Jugend

Das Kaiserthum Oesterreich (Lombardei-Venedig). 143 
drängt, Palast an Palast, der Markusthurm, die goldene Kuppel des Doms, die 
Pracht von Maria della salute und der Dogana, endlich in ihrer vollen Breite die 
ganze riesige Stadt, aus den Meereswogen empor. Auf dem Meere ist unser Auge 
gewohnt, Schiffe zu sehen, aber nicht eine Stadt, die wie zitternd auf dem beweg— 
lichen Wasserspiegel schwimmt, nicht Thürme, nicht Kirchen, nicht Schlösser. Ein 
Bild des Morgenlandes, oder besser ein Bild aus einem Morgentraume blendet un— 
ser Auge, wenn der Abendsonnenstrahl die magische Stadt beleuchtet, und rosiger 
Meeresdunst sie wie hinter leichtem Schleier zur Hälfte verborgen hält. Es ist ein 
Gemälde, das nicht sowohl die Macht der Natur, als die Gewalt des Menschengei— 
stes zu bewundern zwingt.“ Venedig hat 3 Stunden Umfang, war einst in seiner 
Blüthezeit ein zweites London, betrieb den Welthandel und zählte an 400,000 Inw. 
gegenwärtig 118,000. Es ist ganz auf Pfählen gebaut, alle Häuser, im Ganzen 
18,000, sind von Stein, und durch alle Straßen gehen Kanäle, zusammen 154, so 
daß die Stadt in 70, nach Andern in 136 Inseln zerfällt. Uebet die Kanäle führen 
450 Brücken von Stein. Der Ponte rialto ist 90 Fuß breit, und ganz von wei— 
ßem Marmor gebaut. Venedig zählt 30 katholische Pfarrkirchen, Mandere katholische 
Kirchen, 1 unirte und 1 nicht unirte griechische, 1 armenische, 1 lutherische Kirche, 
3 Synagogen. Venedig hat einen katholischen Patriarchen. Der Dom ist die berühmte 
Markuskirche am Märkusplatze mit dem Grabe des h. Evangelisten Markus, vom 
2015 Jahrhundert vollendet. „Dort glänzt der Luxus des Orients mit griechischer, 
byzantinischer und neuitalienischer Kunst. Vergoldete Wände und Gewölbe, ein Pfla— 
ster von Jaspis und Porphyr. 500 Säulen don den kostbarsten Marmorarten Ala— 
baster und Lapis Lazuli, und Bildwerke des Alterthums, die Beute des Orients und 
der neuern Zeit bringen uns in Versuchung, diesen allen Tempel für so fabelhaft 
zu halten, wie es die alte Geschichte Venedigs ist, deren Erzeugniß er war.“ Vor 
der Kirche stehen die schönen von Metall gegossenen Pferde, von Lysippus, die in 
alter Zeit Constantinopel geziert haben. Der Markusplatz ist ein längliches Viereck 
und der schönste Platz in Europa. Er ist der Kampfplätz der Parteien, Markt, 
Spaziergang, Versammlungssaal, Theater, Vaterland und Heimath des Venetia— 
ners, am Tage erglänzend von buͤnter Herrlichkeit, Nachis mit Gasflammen erleuch— 
tet; 630 Fuß lang und 550 Fuß breit, gleicht er einem ungeheuern Volkssaal, der 
nur oben offen ist, daß der Himmel in ihn hereinscheine, und die Lust des Volkes 
frei zu ihm hinaufschlage. Dort spielt Pulcinello, schreit der Ciarlatano, dort fertigte 
der Scrivanöo Briefe, dort predigt der Ordensmann, dort zieht die Prozession vor— 
über, dort handelt, käuft, trinkt, jubelt Schwarm an Schwarm. Die eine Seite des 
Platzes nimmt die neue Prokuratie, ein herrliches Gebäude mit der Markusbib— 
liothek, den Alterthümern u. s. w. ein. Der Palast des ehemaligen Doge (spr. Dod— 
sche Präsidenten der Republik)]), ist jetzt der kaiserliche Palast; unter dem bleiernen 
Dache desselben waren sonst die Staatsgefängnisse; die Gewölbe unter dem Palaste 
wuren ebenfalls Kerker*). Die gepflasterten Pfade längs den Kanälen in Venedig 
sind schmal, und wer ausgehen muß, der macht den Weg nicht zu Fuß, zu Wagen 
oder zu Pferde, sondern in iner Gondel, einem bedeckten schwarzen Kahne. Solche 
Gondeln liegen auf allen Kanälen bereit. Venedig hat 3 Häfen, san Andrea am Lido 
Weg nach Triest), Malamocco für größere Schiffe, geschützt durch einen großarti— 
gen Steindamm (Diga) und den großen Hafen von Chioggia. In keiner Stadt hat 
der Carn eval Gastnacht) so viel auf sich, wie in Venedig. Von Epiphania bis 
Aschertag wimmelt der Markusplatz täglich von Masken; in Masken werden auch 
alle Besuͤche gemacht, nicht nur von Gecken, sondern auch von allen ernsthaften und 
vornehmen Personen. Abends geht man in die Redoute, man spielt um Geld in 
Masken, aber gesprochen wird nicht. Sittlichteit und Bildung, der heutige Charak— 
2 „Die verrufenen Bleikammern find ni i ä i ⸗ 
guisition Venedigs. ul stellen nicht bloß sn ur rrn eee e le ei 
Wohnungen dar, und find wahrlich nicht die schlechtesten zimmen in Venedig. Die noch verrufenern 
n sn e aus mehreren Etagen, von denen nur noch 2 existiren. Sie reichen nicht 
n, d waren selbst nicht scͤlimmer, als andere Kerker bret Zeit.“ Carl From⸗
	        
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