386 Asien (China).
Die Tibetaner gehören zu der mongolischen Race, haben ein kurzes schwar—
zes Haar, sie scheeren aber dasselbe nicht ab, wie die Chinesen. Kopf und
Füße bleiben immer unbedeckt, sonst tragen sie eine enge wollene Weste, einen
langen Schurz und einen karmoisinrothen Mantel, in der rechten Hand ge—
wöhnlich eine Art von Rosenkranz, und wenn sie durch die Gassen ziehen, so
trillern sie immer ein Gebet oder ein Volkslied vor sich hin. Sie sind edel—
müthig, aufrichtig und auch tapfer im Kriege. Sie sind auf ihre Weise gottesfürch—
tig. Die Weiber führen ein thätiges Leben, besorgen das Hauswesen, machen auch
ausschließlich die Kleinhändler im Lande aus, und sind selbst mit dem Feldbau
beschäftigt. Es findet hier bei den Weibern ein Brauch statt, der vielleicht in
der ganzen Welt seines gleichen nicht findet: bevor sie ausgehen, reiben sie
sich das Gesicht mit einem schwarzen Firniß, um sich häßlich zu machen —
aus Sittlichkeitsrücksichten. Die Hauptbeschäftigung der Männer ist, Wolle
spinnen und weben. Die Pö-lu (eine Art Tuch), die wohlriechenden Stangen
und die hölzernen Schüsseln sind die 3 Hauptgegenstände des Handels in Ti—
bet. Die Leichen kommen nicht in die Erde, werden auch nicht verbrannt, son—
dern man wirft sie von einer Anhöhe in tiefe Gruben, in welche Raubthiere
eingelassen werden, sie zu verzehren, oder man schafft die Leichen auf einen
Berg, und überläßt sie den Raubvögeln. — Wer sich einem Höhern nährt,
muß ihm eine weiß seidene Schärpe überreichen, erhält aber auch von ihm
beim Weggehen eine Schärpe. Sogar einem Briefe, den man absendet, muß
eine Schärpe beigelegt werden.
Man spricht von drei Theilen Tibets, Tibet selbst, Butan und
Kleintibet. In Tibet selbst ist die Hauptstadt Lassa am vnun
von der wir wissen, daß sie einen berühmten Lama-Tempel hat. Tibet mag
etwa 8000 Katholiken zählen. In der neuesten Zeit zeigte sich dort eine über—
aus günstige Stimmung für das Christenthum, selbst bei den höchsten n
ten; indeß gelang es dem chinesischen Einflusse, daß die Glaubensboten das
so sehr empfängliche Land verlassen mußten.
Lassa hat 2 Stunden im Umfange, ohne Mauern, 80,000 Inw. Außerhalb
der Vorstädte sieht man eine große Anzähl von Gärten mit Bäumen. Die Haupt—
straßen sind fehr breit und nach der Linie gezogen, die Häuser groß und hoch, aus
Steinen, Ziegeln, Erde und aus Ochsen- uũd Hämmelhörnern. Die Bevölkerung wech—
selt sehr, die bleibende besteht aus Tibetanern, Pebunen, Katchisen und Chinesen. Die
Pebunen sind Indier aus der Gegend Leutan, die einzigen Metallarbeiter in der Stadt.
Die Katschis sind Muhammedaner aus Kaschmir, reich, reinlich und ernst, Kaufleute.
Die Chinesen sind meistentheils Soldaten, oder an den Gerichtshöfen angestellt *).
Wissenschaften und größtentheils auch den Handel. Die Religion ersetzt hier jedes Ge—
werbe; sie dient dem Lande als Staatsregierung, als Gesetzgebung und Politik. Auch
herrscht dieselbe über ganz Tibet, über Bewohner, Felder, Reichthümer und Gebäude,
und sogar über die Felsen, auf denen allen fast ein abergläubisches Mährchen zu le—
sen ist, oder ein steinernes Götzenbild steht. Ja, selbst an den steilsten Felsenwänden
hangen oft große Lama-Klöster, deren Zellen wie Schwalbennester hingebauet sind.
— Diese Anstalten besitzen immer beträchtliche Ländereien, woraus sie den nöthigen
Lebensunterhalt ziehen, und deren Verwaltung dem eingefleischten Buddha (Abgott)
des Klosters zugehört.“
*) Vergleiche Jahrbücher zur Verbreitung des Glaubens, 1849 J. Ein Bericht
vom Missionar Huc.