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Hiezu kommt noch die Steppenzone im Südwesten (am Aral- und
Kaspi⸗Sce).
Das sibirische Tiefland hat sehr ungünstige klimatische Verhältnisse. Gegen
die wärmeren Luftströmungen des Südens durch den Wall von Hochasien abgeschlofsen,
unterliegt es ausschließlich dem Einflusse der rauhen Nordstürme, auch die übermäßig
reiche Bewäfsserung wirkt herabstimmend auf die Temperatur. So sinkt das Thermometer
in den langen strengen Wintern an manchen Orten bis unter 400 R. während die
Sommer kurz, aber heiß sind. Etwa bis zum 55. Parallel ist in den geschützten
Thälern der Gebirge noch Getreidebau möglich, das Tiefland jedoch ist Steppe, Nördlich
vom 55. Parallel breiten sich noch üppige Grasfluren und prächtige Nadelwälder —
sibirische Ceder oder Zirbelkiefer — aus, welch letztere bis zum Polarkreis reicht, jenseits
dessen allmählich die höhere Pflanzenwelt erstirbt und die Region der Kryptogamen
beginnt, die Zone der Tundras. Im Winter ist dieser ganze ungeheuere Ranm eine
Eiswüste; im Sommer thaut die Tundra einige Fuß tief auf und verwandelt sich in
undurchdringlichen Morast. In dem stets gefrornen Grunde derselben sind oft die
vollständig mit Haut und Haaren erhaltenen Reste vor'ündflutlicher Thiere Mammute)
eingeschlossen, welche große Massen von Elfenbein liefern.
Wie die klimatischen Verhältnisse Sibiriens grelle Gegensätze zeigen, so auch die
Thierwelt. Während der indische Tiger bis in die Thalgründe der südlichen Rand—
gebirge streift, haust im N. der Eisbär; die Steppen des Südens durchziehen
Karawanen des baktrischen Kamcels, im N. tritt das Renthier auf, welches gezähmt
als Zug-, Reit- und Milchthier, im wilden Zustande als Jagdthier die Existenz der
Urbevölkerung wesentlich bedingt. Auch der Hund spielt als Zugthier im Winter eine
wichtige Rolle. Von größter Bedeutung ist der Reichthum Sibiriens au Pelzthieren
Zobel, Hermeline, schwarze und blaue Füchse, Eichhörnchen u. a.).
c) Die Gewässer. Das eigentliche Sibirien wird von drei
zroßen Strömen bewässert, welche aber, da sie den größten Theil des
Jahres gefroren sind und in ein Eismeer münden, für den Verkehr
nicht jene Bedeutung haben, die ihnen sonst infolge ihrer großartigen
Stromentwicklung und ihrer Wasserfälle zukommen müsste. Diese drei
zroßen Ströme sind: aa) der Oh, welcher im Altai entspringt, und am
. U. den Irtysch (selbst ein großer Fluss, der den Saisan-See durch—
fließt) aufnimmt, welchem bei Tobolsk der Tobol zufließt; bb) der
Jeunissei, der größte Strom der alten Welt (5200 Em I.), welcher vom
Südabhange des Sajanischen Gebirges kommt; ihm fließt am r. U. die
Tunguska (oder obere Angara) zu, die bei Irkutsk den Baikal-Ser
berlässt, in welchen sich am Südostufer die Selenga ergießt.
Der Baikal-See ist der größte Alpensee der Erde (fast so lang wie das adriatische
Peer und größer wie Tirol) nud wird von den anwohnenden Tungusen auch das
„heilige Meer“ genannt, weil sie Gebete an dasselbe richten und Opfer geloben, um
sich eine günstige Überfahrt zu sichern. Obwohl wegen der häufig auftretenden Stürme
schwierig zu beschiffen, ist der Baikal-See doch ein sehr wichtiges Glied in dem Ver—
fehrsleben zwischen China und Russland (namentlich im Winter, wo er von Mitte
December bis in den April gefroren ist). Von Kiachta aus geht nämlich die große
Handelsstraße. der „sibirische Tract“, über den Baikal-See, auf der Angara