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deren Stufe der Bildung, indem das Volk, festhaltend am
Allen, nur schwer seiner angestammten Rohheit zu entreißen
ist, während in den Wohnungen der Reichen orientalische
Pracht mit feiner Europäischer Sitte sich verbindet. Nur in
den größeren Städten, wo ein Mittelstand sich gebildet hat,
findet sich wahre Bildung. Die Haupt- und Hofreligion ist
die Griechische, welche in den meisten Lehrsätzen und Ge¬
brauchen mit der Römisch-katholischen übereinstimmt,
allein den Papst nicht als Oberhaupt der Christenheit aner¬
kennt, auch vom Cölibat der Geistlichen und dem Abendmahl
unter einerlei Gestalt nichts weiß, aber noch immer den als
fehlerhaft erkannten Juli a ni scheu Kalender beibehält.
§. 56.
Politische Stellung.
Die Verfassung Rußland's ist eine unumschränkt
monarchische; in weltlichen und geistlichen Dingen gilt der
Wille des Kaisers als das höchste Gesetz. Der Thron ist
in männlicher und weiblicher Linie nach dem Rechte der Erst¬
geburt erblich. Seit Peter dem Großen nennen sich die
Russischen Regenten Kaiser und Selbstherrscher aller
Reussen; die kaiserlichen Kinder führen den Titel Gro߬
fürsten und Großfürstinnen. — Die älteste Hauptstadt
des Reichs ist Moskau, nach dem großen Brande von 1812
mit unglaublicher Schnelligkeit, und schöner und größer aus
der Asche emporgestiegen, hat 350,000 Einwohner, zu de¬
nen, wegen der eigenthümlichen Lustbarkeiten, im Winter noch
mehrere tausend hinzu kommen. Die zweite Hauptstadt
des Reichs ist St. Petersburg an der Mündung der
Newa, geschützt durch die Festungen Schlüsselburg und
Kronstadt, benannt nach ihrem großen Erbauer, voll präch¬
tiger Paläste, großartiger Kirchen, merkwürdiger Denkmäler
(Alepandersäule) mit 530,000 Einw. Außerdem sind durch
ihre Lage, ihren Handel oder ihre Größe bedeutend: Ar¬
changel (an der Dwina), N i sch n e i-N o w g o r o d, Kasan
und Astrachan (an d. Wolga), Tula (an d. Upa), Mo¬
ro n e s ch (am Don), Reval (an d. Ostsee), Riga (an der
Düna), Smolensk, Kiew und Cherson (am Dnieper),
Sebastopol und Odessa (am Schwarzen Meere).
Zu Rußland gehören ferner: r>) in Eurvpa: das Kö¬
nigreich Polen (§. 72); d) in Asien; das asiatische