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Lieder.
Ein Halbzug wird zum Suchen ausgesendet
Und — kommt nicht wieder, alle blieben tot.
Uns bebt das Herz, allmächt'ger Gott!
Hast du dich zürnend gegen uns gewendet?
10. „Freiwill'ge vor!“ — Da blieb nicht einer stehen,
Der noch sein heiß Gewehr in Händen hielt,
Und sechs, die um das Los gespielt,
Sehn in die Nacht hinaus wir gehen. —
Zurück, vom Feind verfolgt, ein einz'ger kehrte,
Der blutete, verhüllte sein Gesicht
Und schwieg — die Fahne bracht' er nicht,
Und keiner, keiner seinen Tränen wehrte. —
11. Am andern Tag, so ließ Ricciotti melden,
Fand man die Fahne fest in starrer Hand,
Zerfetzt, zerschossen, halb verbrannt
Und unter Haufen toter Helden. — —
Wenn wir nun ohne Fahne wiederkommen,
Ihr Brüder allesamt, gebt uns Pardon! —
Verloren haben, wir sie schon,
Doch keinem Lebenden ward sie genommen.
Wolff
107. In dem Jahre 1870.
1. Wenn heut' ein Geist herniederstiege,
Zugleich ein Sänger und ein Held,
Ein solcher, der im heil'gen Kriege
Gefallen auf dem Siegesfeld —
Nicht mehr von Deutschlands Schmach und Schande
Säng' er den alten Trauersang,
Nein, vom erwachten Vaterlande
Das hohe Lied voll Jubelklang.
2. Nicht schelten mehr und nicht verdammen,
Nein, preisen würd' er allerwärts;
Denn jedes Auge säh' er flammen,
Und klopfen hört' er jedes Herz.
Und eine Kunde würd' er melden
Vom Kriegsruf, der vom Rhein erklang,
Auf den ein ganz Geschlecht von Helden
Gewappnet aus der Erde sprang.
3. Von lang getrennten Bruderstämmer
An einem Tag zu fester Wehr
Geeint, die Sündflut einzudämmen,
Die sie bedräut vom Westen her.