268 III. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
von Zeit zu Zeit in Madrid aufhielten, mehr und mehr vergrößert
und endlich, wie schon erwähnt, durch Kaiser Karl V. in ein königliches
Residcnzschloß verwandelt. Philipp II. ließ es noch bedeutend ver¬
größern und mit vielen Werken der Kunst von hohem Werthe schmücken.
Am Weihnachtsheiligabend des Jahres 1734 ward dieses weitläufige
Schloß, von dem seltsamer Weise kein Bild mehr existirt, ein Raub der
Flammen, und Philipp V. beschloß, an seiner Stelle einen neuen Palast
zu erbauen, der alle Schlösser der Welt verdunkeln sollte. Der Plan,
den der Architekt Don Felipe Jnbara entwarf und in einem Modell
aus Holz zur Ausführung brachte, welches jetzt in dem sogenannten
topographischen Cabinet des Buen Retiro aufgestellt ist, war wirklich
kolossal. Der Palast sollte nämlich ein Viereck mit 34 Thoren bilden,
100 Fuß hoch werden und jede Fa^ade eine Länge von 1600 Fuß
erhalten! Dieses enorme Project kam wie manches andere von so gi¬
gantischen Dimensionen nicht zur Ausführung, indem es namentlich an
der Unzulänglichkeit des Platzes scheiterte, da Philipp V. sein Schloß
expreß an der Stelle des alten Alcazar erbaut hahen wollte. Daher
ward der Italiener Giovanni Sachetti aus Turin, ein Schüler Jubara's,
mit Anfertigung eines neuen Planes beauftragt. Dieser reducirte die
ungeheuren Proportionen des von seinem Lehrer entworfenen Planes
und erbaute den jetzigen Palast, der ganz aus Sandstein und Marmor
besteht. Er sollte zwei durch zwei Flügel verbundene regelmäßige Vierecke
bilden, von denen bloß das westliche fertig geworden ist. Dieses ist
im Renaissance-Stil erbaut und durch eine Menge an und für sich
schöner Statuen, Urnen und anderer Verzierungen etwas stark überla¬
den. Der geräumige innere Schloßhos ist von Säulenhallen umgeben
und mit den Marmorstatuen' der vier in Spanien geborenen Kaiser
Roms, Trajauus, Arcadius, Honorius und Theodosius, geschmückt.
Das Innere soll au Großartigkeit der Säle und an Pracht Alles über¬
treffen, womit andere Gebäude dieser Art in Europa prahlen können.
Je prächtiger aber der Palast ist, desto düsterer sind seine Umgebungen.
Das Schloß liegt nämlich am westlichen Ende der Stadt auf einem
ziemlich steil abfallenden Hügel am Manzanares; im Schatten seiner
mächtigen Grundmauern liegen armselige strohgedeckte Hütten von Zi¬
geunern und Tagelöhnern wie unerhörte Bitten an den Stufen des
Thrones, und die arme Königin überschaut aus ihren Marmorhallen
nichts, als die traurige sterile Hochebene von Neu-Castilien, die sich
endlos gen Süd und West erstreckt und aus der hier und da ein
elender Weiler seine grauen Dächer emporhebt! Vor der östlichen
Fatzade des Schlosses befindet sich die Plaza y Glorieta del
Oriente, einer der schönsten Plätze von Madrid, den es der Zcrstö-
rnngssucht der Franzosen verdankt, die an dieser Stelle eine Menge
Häuser, Kirchen und Gärten niederreißen ließen, um Batterieen gegen
die Stadt zur Vertheidigung der Hofburg zu errichten. Als ich mich
in Madrid befand, war dieser Platz noch nicht vollkommen vollendet.
Seine westliche Seite bildet die großartige Fa^ade des Schlosses; diesem