111. Die Sudeten mit dem Riesengcdirge. 
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glückliche Bergluft. Furchtbares, Gewaltiges, Erhebendes paart sich hier 
mit dem Anmuthigen und Freundlichen; überall wird der Wanderer 
aus einer Gleichgültigkeit gegen die Reize der Natur, wie sie wohl 
durch das Leben auf einförmiger Ebene sich angewöhnt, selbst unwill¬ 
kürlich aufgeregt. Dazu kommt die regsame Belebtheit, welche die Su¬ 
deten der menschlichen Thätigkeit verdanken. Denn selbst auf den höchsten 
Kämmen jodelt der Hirt und läutet das weidende Vieh, aus den dunk¬ 
len Waldgrüuden dampft die Glashütte und klirrt der Eisenhammer, 
und wie erst regt sich's in den Thälern, wo Dorf an Dorf sich reiht 
und der mühsame Landmann der steilsten Lehne eine geringe Aernte 
abzwingt. 
Das Riescngebirge, der höchste Theil der ganzen Sudetenkette, 
trennt Nicderschlesien von Böhmen. Der Theil, welcher insbesondere 
„Riesengebirge" genannt wird, beginnt beider Tafelfichte und endet 
beim land shuter Gebirge. Diese Gebirge sind Urgebirge, deren 
Hanptbcstandthcil Granit ist, welcher mit Schiefer und Kalkstein, Gneis, 
Glimmer und Hornblende abwechselt. Basalt kömmt selten vor. Nicht 
so gigantisch wie die Alpen, erreicht ihre höchste Spitze — die Koppe 
— 4990 F. über der Meeresfläche, beinahe die ewige Schnceregion, 
weßhalb es auch das Schncegebirge genannt wird, da cs die größere 
Hälfte des Jahres mit Schnee bedeckt ist und dieser in den tieferen 
Schluchten auch während des Sommers nicht schmilzt. Von der schlesi¬ 
schen Seite gewährt es eine höchst malerische Totalansicht, deren Formen 
nur im Einzelnen wild und grotesk erscheinen; von der böhmischen 
Seite ist die Totalansicht weniger malerisch, doch gibt es einzelne ro¬ 
mantischere, ja, idyllische Partieen. Keine gewaltigen Ströme stürzen 
hier von den Gipfeln herab, keine Seen, die Augen der Landschaft, 
verschönen die Gegend, wie dies in der Schweiz und in Tirol der Fall 
ist; nur die beiden Teiche sind zu nennen, können aber auf die Be¬ 
nennung von Seen keinen Anspruch machen. Aber Tausende von Berg¬ 
wässern, silberne Quellen brechen ans Höhen und Schluchten, aus 
Felsen und Waldesgründen hervor und durchrauschen die Thäler und 
Hochebenen. Fast an jeder Bande schlängelt sich ein Bach vorüber, 
und der Mensch hat sich darum auch hier, sei's in unfreundlicher, schwer 
ersteiglichcr Höhe, seine Hütte gebaut, wo es ihm an dem nothwendigen 
Elemente nicht gebricht, wo seine Thiere auf frischer Weide Futter und 
kühlen Labetrunk finden. — Von den Flüssen, die hier in bescheidener 
Kindheit auftreten, aber baldigst erstarken, ergießt sich die Elbe, Jser 
und Anpe nach Süden, der Zacken und die Bober nach Norden. 
In den tieferen Thälern und Ebenen gedeihen alle Getrcidearten, auf 
den Wiesen und Gründen wachsen die köstlichsten Kräuter, die Mitte 
der Berge umgürten Wälder aller mitteldeutschen Holzarten, weiter 
hinauf gibt es nur Knieholz, und ganz oben findet man nur Moos, 
dürftige Gräser und unscheinbare Blümchen (Tenselsbart u. s. w.). 
Die Bewohner der Sudeten sind ihrer Abstammung nach Sla¬ 
wen und Deutsche. Die Mundart der Slawen ist die böhmische und
	        
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