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III. Länder- und Völkerkunde. A. Europa. 
breites Pachterhaus mit holländischen Backsteinen zum Vorschein kommt, 
sonst wären die Dörfer durchaus niedersächsisch. 
Auch die Wege erinnern an das sandige Vaterland. Sie sind breit, 
halb chaussirt, an der Seite wachsen kümmerlich angepflanzte Bäume. 
Man hat Gräben darum gezogen, wo das Unkraut im Staube wuchert. 
Sie biegen um keinen Felsvorsprung, sie schießen keine schroffe Höhe 
hinab, kein Anklang von schöner Wildheit eines Gebirgslandes. Die 
leichten Karren haben sich verwandelt in schwere norddeutsche Leiter¬ 
wagen, die nur von zwei handfesten Rossen gezogen werden können. 
Schweigende Betriebsamkeit grüßt uns in den lebenden und leblosen 
Gegenständen. 
Ein ganz anderes Geschlecht bewohnt dieses Niederland. Die hohen 
Tanncngestalten sind verschwunden; ein untersetzter Menschenschlag mit 
tüchtigen Schultern und feinen Zügen ist hier einheimisch. Die Sorgen 
des Lebens haben die Gesichter gefurcht. Doch zeichnet ein gewisses 
sinnig stilles Wesen die Skanier ans. Nichts von Wildheit, nichts von 
Kühnheit, dagegen lernte ich zur Genüge neben der Demuth den stum¬ 
men Trotz des slawisch-nicdersächsischen Bauern kennen. Sie vergeben 
kein Titelchen ihres Rechtes, sprechen aber kein Wort dabei. Das war 
mir eine wehmüthige Rückerinnerung an die Heimath. Der Landmann 
in Schonen gehört auch darin nicht zu Schweden, daß er nicht die 
Freiheit der Bonden theilt. Wie weit seine Unterthänigkeit gegen die 
Herrschaft noch geht, weiß ich nicht, aber auf dem Gesichte drückt es 
sich aus, daß er nicht so frei und kühn um sich schaut, wie die Männer 
am Silja und den Katarakten der nördlichen Elfs. 
e. Oft-Enropa. 
Rußland und Polen. 
216. Das Tiefland von Oft-Europa. 
(Vom Herausgeber.) 
Während Süd-Europa und noch mehr Mittel-Europa sich durch 
eine große Mannichfaltigkeit in den physischen, ethnographischen und po¬ 
litischen Erscheinungen auszeichnet und selbst auf kleinen Räumen (z. B. 
in der Schweiz) schroffe Gegensätze in der Bodenforin, dem Klima, der 
Religion, der Sprache, den Sitten und Nahrungsquellen, der geistigen 
Bildung der Bewohner aufzuweisen hat, besteht das Charakteristische 
von Dst-Europa in der entschiedensten Einförmigkeit in allen diesen Ver¬ 
hältnissen : eine einzige, vom Meere nirgends durchbrochene, in sich ge¬ 
schlossene Continentalmasse ohne bedeutende horizontale und vertikale 
Gliederung, ohne irgend erhebliche Küstcnentwickelnng, nur durch nie¬ 
drige Landrücken und in Binnenmeere mündende Ströme unterbrochen,
	        
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