302 llh Länder- und Völkerkunde. 6. Asien. 
Die ungeheure Ausdehnung, welche die Natur Asien gab, nach der 
sein Flächeninhalt das Vierfache von Europa und fast ein Vierthcil 
mehr als Afrika ausmacht, bestimmt cs zugleich zu dem größten Schau- 
platze, auf dem wir die leblose nicht weniger als die thierische Schö¬ 
pfung in ihrer höchsten Mannichfaltigkeit sowohl als Schönheit erblicken. 
Europa hat keine Products, die nicht auch Asien hätte, und bringt we¬ 
nige derselben so vortrefflich hervor, wenn sie nicht etwa der Kunstflciß 
des Europäers veredelte. Afrika hat zwar seine eigenen Erzeugnisse 
und Waaren, die seiner eigenthümlichen Lage angemessen sind; — es 
erzeugt Neger, die Asien nicht hat, und Thiere und Gewächse, die nur 
unter dem Aeguator gedeihen; aber wie freindartig auch immer die 
Natur in Afrika dem Europäer erscheinen mag, so bleibt sie sich doch 
durchaus dort mehr gleich; der Bewohner des Kasfernlandes könnte 
auch au den Küsten der Berberei sich allenfalls in seinem Vatertande 
glauben; er würde hier ungefähr dieselben Thiere, dieselben Pflanzen 
und Gewächse, denselben Himmel wiederfinden. Dagegen welch' eine 
Abwechselung und Mannichfaltigkeit in Asien! Welch' eine andere Schö¬ 
pfung in den weiten mongolischen Steppen, in den blühenden Thälern 
von Kaschmir, in den heißen Ebenen von Bengalen, in den duftenden 
Hainen von Ceylon, und wiederum auf den beschneiten Gebirgen Sibi¬ 
riens und an den Küsten des Eismeers! 
Allein auch außer seiner Lage gab die Natur Asien Vorzüge anderer 
Art, wodurch es sich vor Afrika auffallend auszeichnet. So wie sowohl 
der Zugang zu diesem von außen als auch der innere Verkehr seiner 
Bewohner in gleichem Maaße erschwert ist, so ist dagegen sowohl der 
eine als der andere in Asien ausnehmend erleichtert. Die Meere, die 
diesen Welttheil umgeben, bilden allenthalben, vorzüglich aber in der 
südlichen Hälfte, welche von jeher der Wohnsitz der gebildeten Völker 
war, große Busen, die sich bis tief in das Innere der Länder erstrecken 
und da, wo sie aufhören, wiederum große Flüsse aufnehmen und den 
bequemen und sichern Austausch der Erzeugnisse der verschiedenen Län¬ 
der befördern. 
Diese Bildung des festen Landes und die gleichmäßige Vertheiluug 
der Ströme ist wahrscheinlich eine Hauptursache, daß sich in dem In¬ 
nern von Asien, mit Ausnahme der arabischen Halbinsel, die ihrer gan¬ 
zen physischen Beschaffenheit nach vielmehr noch dem benachbarten Afrika 
anzugehören scheint, keine so großen Sand wüsten finden, welche den 
Verkehr der Bewohner von Afrika so ausnehmend erschweren! Denn 
obgleich Asien sehr große S t e p p e n l ä n d e r enthält, so ist der Reisende 
doch in diesen nicht denjenigen Gefahren ansgesetzt, die ihm in den afri¬ 
kanischen Sandmeeren drohen. Wüsten von dieser Art, und zugleich 
von ähnlichem Umfange, enthält dagegen Asien in seinem Innern nur 
Eine, die Wüste Gobi, welche aber nur den Zugang zu dem öst¬ 
lichen Lande, dem eigentlichen China, erschwert, dessen West- und Nord¬ 
seite sie umgibt, aber eben daher dem Verkehr der übrigen asiatischen 
Länder und Völker kein Hinderniß in den Weg legt.
	        
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