126. Allgemeine Charakteristik der neuen Welt. 
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menschlichen Schicksale gebieten. Einen regelmäßigen Cultus und eigene 
Priester gibt es nicht. Man empfängt das Gute mit Gleichgültigkeit, 
gleichsam als eine Sache, die man zu fordern berechtigt ist. Nur gegen 
befürchtete Uebel sucht man sich durch Opfergaben zu schützen. Außer¬ 
dem herrschen eine Menge abergläubischer Meinungen und Gebräuche. 
Bei einer Mondfinsterniß feuert man Gewehre gegen den Mond ab, 
um dem guten Princip, das man im Kampfe mit dem bösen begriffen 
glaubt, zu Hülfe zu kommen rc. rc. Eben so glaubt man an unglück¬ 
liche Tage, und ehemals wurden sogar Kinder umgebracht, die an diesen 
ans die Welt kamen. 
Große Verehrung bezeigt man den Todten. Jede Familie hat einen 
eigenen Bestattungsplatz, wohin selbst, wenn es möglich ist, die an ent¬ 
fernten Orten verstorbenen Glieder der Familie gebracht werden. Die 
Särge sind ans einer Holzart gemacht, die für unzerstörbar gilt. Man 
hat eigene Hütten dafür, wo sie einer über bent anderen aufgehäuft 
werden und welche unter einzelnen großen Bäumen mitten im Walde 
errichtet sind. Diese Bestattnngsorte führen den bezeichnenden Namen 
das kalte Haus. Man nähert sich ihnen nur mit Zeichen der tief¬ 
sten Verehrung, und wer den Theil des Waldes, wo sich ein solches 
Hans befindet, umhauen wollte, würde sich den Haß und die Verfol¬ 
gung der beleidigten Familie zuziehen. Neben den Särgen stehen Ge¬ 
fäße mit geistigen Flüssigkeiten, die bei der Bestattung als Opfer dar¬ 
gebracht und auch wohl von Zeit zu Zeit erneuert werden. 
HD. Amerika. 
326. Allgemeine Charakteristik der neuen HfleU*). 
(Nach Fr. v. Rougemont, Geographie des Menschen, übersetzt von Ch. H. 
Hngendubel.) 
Ein charakteristischer Zug der neuen Welt ist ihre Gleichförmigkeit. 
Während die alte Welt ein System von drei verschiedenen Körpern bil¬ 
det: Afrika oder der Süden, Asien oder der Osten, Europa oder der 
Westen, haben Süd- und Nord-Amerika die gleiche natürliche Beschaf¬ 
fenheit und bilden daher nur einen Continent; kein Gegensatz zwischen 
dem Orient und Occident, zwischen dem Süden und Norden. Die 
Westküste bietet bei einer Länge von 3500 Stunden keinen einzigen tief 
ins Festland eindringenden Busen dar und hat nur zwei schmale, lange, 
unbedeutende Halbinseln. 
Im Osten liegt das Meer der Antillen, und in den Polargcgcndcn 
befinden sich noch andere Mittelmeere; aber unter den verschiedenen öst- 
*) Siehe die Vergleichung der alten und neuen Welt im 1. Bde. S. 35, welche 
schon eine allgemeine Charakteristik Amerikas enthält. 
33*
	        
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