Full text: Deutsche Geschichte von der Reformation bis zu Friedrich dem Großen (H. 3)

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tüchtige Kräfte vielfach thätig, aber ihre Zersplitterung lähmte das 
Ganze. 
1. Der Kaiser, der von den Kurfürsten gewählt wurde, war 
bei allen Unternehmungen von ihrer Zustimmung abhängig. Maxi¬ 
milians Nachfolger Karl V. beherrschte ein Weltreich und stand der 
Not des deutschen Bolkes kalt und fremd gegenüber, und die späteren 
Kaiser kümmerten sich nur um ihre Habsburgischen Erblande, die be¬ 
ständig von den osmanischen Türken bedroht waren. 
2. Die Fürsten waren bestrebt, ihre Unabhängigkeit von der 
kaiserlichen Gewalt zu befestigen und die Selbständigkeit der freien 
Städte und Ritter zu brechen; sehr selten waren sie bereit, für die 
Sicherheit und die Ehre Deutschlands ein Opfer zu bringen. 
3. Aus dem Rittertum war der fest geschlossene Stand der 
Ritterschaft oder der niedere Adel hervorgegangen, der seine Vor¬ 
rechte behauptete, obgleich er bei der veränderten Kriegführung nicht 
mehr beit Kern der bewaffneten Macht bildete. Die höfische Sitte 
war in der Roheit des Raubrittertums untergegangen; viele adlige 
Herren bedrückten ihre Bauern mit unmenschlicher Härte, trieben 
Wegelagerei und lebten mit Fürsten und Städten in wüster Fehde. 
4. Die Bauern waren fast überall zu Leibeigenen herabgedrückt, 
mit Abgaben und Frohnden überlastet und jeder Willkür ihrer adligen 
Gutsherren preisgegeben. Die Erbitterung der Landbevölkerung 
machte sich oft in wilden Aufständen Luft, die jedesmal grausam 
unterdrückt wurden und die Lage der Bauern nur verschlimmerten. 
Die Leibeigenschaft der Bauern hat in Deutschland bis in das 19. 
Jahrhundert bestanden. 
5. Die Städte zerfielen in Reichsstädte, die nur den Kaiser 
als Herrn anerkannten, und Landstädte, die einem Fürsten untergeben 
waren. Die Reichsstädte bildeten fast ganz unabhängige Republiken, 
in denen die angesehensten Familien, die Patrizier oder Geschlechter, 
regierten; diesen gegenüber standen die Zünfte, d. i. die Handwerke, 
die streng von einander abgesondert waren; nach langen und nicht 
selten blutigen Kämpfen erreichten sie in den meisten Städten Anteil 
am Regiment. Durch Handel und Gewerbe wurden nicht wenige 
Städte reich und mächtig, und sie vermehrten ihre Macht, indem sie 
Städtebünde schlossen. Zwar begann die Macht der Hansa schon zu 
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