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Verrats überführt war, dem wurde seine Habe — Schaf, Schwein, Pferd, 
Rind — angegriffen oder ganz genommen, der mochte wohl gar die 
Waffen verlieren. Selten ging's auch ums Auge oder ums Leben. Dies 
alles ließ der Herr jetzt aufzeichnen; denn er wollte ja kein neues Gesetz 
geben, nur des Volkes alten Brauch ordnen und dem Richter gleich wie 
den: Beklagten vor Augen stellen, damit niemand in Zukunft seine Will¬ 
kür bemänteln könne mit der eitlen Rede: Ich weiß nicht, was Recht ist. 
Und als nun unter den andern Sendboten auch Rikulf und Werner des 
Kaisers Hof verließen, um des Weges zu ziehen, woher sie gekommen 
waren, da brachten sie auch nach Thüringen Karls klares Gesetz, welches 
viele andre Völkerstämme im Frankenreiche schon besaßen. 
4. Der Winter war gewichen. Für den Mainzer Erzbischof und seinen 
Begleiter galt es nun, nach den Weisungen zu handeln, welche sie in 
Aachen erhalten hatten. Wir wollen uns gar nicht die Mühe geben, unsre 
beiden auf dem Ritt ostwärts bis an den Rhein und auf der Fahrt 
stromaufwärts zu begleiten; denn unter den vielen Leuten, die mit ihnen 
zugleich diese Straße einschlugen, würden wir sie wohl kaum heraus¬ 
finden. In Vacha, wo sie den Grenzfluß erreichten, fanden sich bald 
Grafen des Thüringer Westergaues zu ihnen, wohl versehen mit allem, 
was sich das Herz wünschen mochte, mit Lebensmitteln und mit Rossen, 
weiß und stattlich nach des Landes Art. Am rechten Ufer des Flusses 
öffnete sich die ,,hohe Straße", welche an dem Königsgute Dorndorf 
vorbei über die Hochebene am Nordwestfuße des Waldes und hinüber in 
den Ostergau an die Gera führte, dahin, wo hinter der seichten, seit alten 
Zeiten wohl gangbaren Furt ein Fischerdorf lag, Erfurt, das Wanderziel 
unsrer beiden. Sie fanden Unterkunft in dem Stifte beim Bonifazius- 
kirchlein, das sich über dem Dorfe auf dem Marienberge erhob, und als¬ 
bald sandten die Männer ins Land hinaus, das Volk vor sich zu laden. 
5. Unterdes hatte man draußen erfahren, daß die Königsboten wieder 
da seien, und war darüber nicht wenig erstaunt. Voriges Jahr hatte 
man sich getröstet, nun würde wohl manches Jährchen vergehen, ehe die 
vom Rheine sich wieder blicken ließen, und jetzt waren sie nach zwölf 
Monaten schon zurückgekehrt! Viele übermütige Eräflein, die sich einer 
Schuld bewußt waren, ergriff da der blasse Schrecken, als sie des Kaisers 
Ernst sahen. Kaum brauchte es der Mahnungen, gen Erfurt aufzubrechen 
und der Drohungen mit des Königs Bann; schnell wurden die Rosse ge¬ 
sattelt und die Wehr gerüstet, und fort ging's! Aber nicht nur die Grafen 
allein, alle, Männer, Jünglinge und Greise waren geladen, ja sogar die 
Jungen, wenn sie nur zwölf Jahre alt waren, sollten mitkommen. 
Da stehen sie nun: Unter der Masse der freien, schwertumgürteten 
Thüringer auch manches fremde Haupt, wohl Sachsen, die vor nicht langer 
Zeit von Kaiser Karl zur Strafe für Treubruch gewaltsam von Heimat, 
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