Einleitung.
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unter dem Horizonte liegen, empor ragen, und sich in der Wasser-
fläche abzuspiegeln scheinen, gerade so wie es die Gegenstände am
Ufer eines wirklichen Gewässers zu thun pflegen. Diese Luft¬
spiegelung, wie man die Erscheinung im Allgemeinen nennt,
entsteht durch eine ungleiche Brechung der Lichtstrahlen, welche durch
eine ungleiche Temperatur der untersten, zunächst den Erdboden
oder das Meer berührenden Luftschichten verursacht wird.
Das französische Kriegsheer, welches sich 1798 und 1799 in
Aegypten befand, hatte dort öfters Gelegenheit, dieses seltsame Na¬
turschauspiel zu beobachten. Der Boden von Niederägypten ist eine
ungeheure, vollkommen wagerechte Ebene, auf welcher sich nur ei¬
nige mit Dörfern besetzte Anhöhen befinden, welche durch diese Lage
gegen die Ueberschwemmungen des Nils geschützt sind. Abends und
Morgens erscheint die Landschaft ganz so, wie sie wirklich ist, oder
wie es die wirkliche Lage, Größe und Entfernung der Gegenstände
mit sich bringt. Am Tage aber, wo der Boden von der Sonne
erhitzt wird, scheint das Land in einer gewissen Entfernung durch
eine allgemeine Ueberschwemmung begränzt zu werden. Die über
diese Gränze hinaus liegenden Dörfer erscheinen wie Inseln in ei¬
nem großen Meere. Unter jedem Dorfe sieht man sein umgekehr¬
tes Bild, ganz wie es erscheinen würde, wenn es wirklich am Was¬
ser läge. Nähert man sich, so rücken die Gränzen dieser scheinba¬
ren Ueberschwemmung weiter hinaus; der das Dorf umgebende ein¬
gebildete See zieht sich zurück, verschwindet endlich ganz, und die
Täuschung erneuert sich für ein anderes entfernteres Dorf. Für
den durstigen Wanderer in den Wüsten Afrika's ist diefe Täuschung
in einem Augenblicke, wo er mit Sehnsucht einem Labetrunke ent¬
gegen sieht, äußerst schmerzlich.
Auch auf den weiten Steppen Rußlands zeigt sich dieses Phä¬
nomen. Man glaubt Bäume, Gesträuche und Berge in der Lust
schweben zu sehen, erblickt Seen und Teiche, aber dieß alles schwin¬
det immer weiter vor dem Beschauer, indem er der Erscheinung
näher zu kommen sich beeilt; ja er sieht sogar diese Gestalten sich
immer verändern, welches von der Beschaffenheit und Veränderung
des Bodens oder der Gegenstände auf demselben, oder von der
Veränderung der Luft oder auch des Standes der Sonne abhängt.
So lieht man auch in diesen Steppen das Vieh in der Entfernung
wie in der Luft schweben und manchmal dasselbe und alle andern
Gegenstände verkehrt in der Luft spielen. Von den Bewohnern der
Steppen des mittlern Asiens wird diese Erscheinung Antilopen-
durst genannt, weil selbst die Antilope sich täuscht und durstend
nach dem Phantom läuft, das sie für Wasser hält.
In Italien zeigt sich die Erscheinung der Luftspiegelung be¬
sonders an der Meerenge von Messina unter dem Namen der Fata
Moegana, welche Benennung anzeigt, daß es der Aberglaube des