Full text: Deutsche Jugend ([Teil 5 = 6. - 8. Schulj., [Schülerbd.]])

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machen, die Zukunft vorherzuwissen, Herrschaft über die Geister der 
Elemente zu gewinnen und anderes. Seit Luthers Tode war ihr 
Eindringen in die deutschen Fürstenhöfe oft sichtbar. Ein solcher 
Abenteurer hat auch eine Zeitlang am Wolfenbütteler Hofe eine 
große Rolle gespielt. 
Herzog Julius galt für einen Freund der Wissenschaften. Be¬ 
sonders in der Chemie besaß er ungewöhnliche Kenntnisse, und so 
sehr war sein Geist der Zeit vorgeeilt, daß er von dem herrschenden 
Glauben an Hexerei und Zauberei nicht ergriffen war. 
Nur ein einziges Mal hat er die Wahrheit, daß in das Innere 
der Natur kein erschaffener Geist dringet, nicht beachtet, nur ein 
einziges Mal ließ er sich von Betrügern täuschen. 
Um das Jahr 1568 traf nämlich in Wolfenbüttel ein ver¬ 
laufener Priester aus dem Lande Meißen ein. Seinen Namen 
Philipp Sommerring hatte er in Therocyclus umgewandelt. Er 
trieb Alchimie und gab vor, den Stein der Weisen bereiten zu 
können, der alles Ungesunde aus dem Menschen wegnähme und 
einem Greise die Kraft und Gestalt eines Jünglings von 18 oder 
20 Jahren verleihe. Zu diesem Manne faßte der Herzog großes 
Zutrauen und scheute keine Kosten, in steter Hoffnung, von ihm 
geheilt zu werden. Der fremde Doktor zog auch noch andere Leute 
zu sich, unter andern den Schreiber Heinrich Schumpacht oder 
Schömbach, gewöhnlich „Scheibe Heinze" genannt, der sein Opfer¬ 
mann gewesen war, und dessen Weib Anna Maria Ziegler. Ferner 
gehörten zu Sonunerrings Gesellschaft ein Doktor Kümmerer, Jobst 
Kettwich und Schulffermann mit seinem Weibe. 
Sie hatten ihre Wohnung in der Apotheke vor dem Schlosse, 
wurden fürstlich gespeiset und hatten den Herzog so eingenommen, 
daß sie alles, was sie begehrten, erlangen konnten. Insbesondere 
galt das Haupt der ganzen Gesellschaft, Therocyclus, bei dem 
Fürsten sehr viel. Dieser nannte ihn einmal den würdigen Rat und 
lieben getreuen Ehren Philippus Therocyclus. In welcher Gunst 
er bei Julius war, und wie er dieselbe wohl auszunutzen verstand, 
beweist der Bau seines großen Wohnhauses in der Heinrichsstadt. 
Es ist das später zur Kanzlei eingerichtete Gebäude, in dem jetzt 
das Landes-Hauptarchiv niedergelegt ist. 
Es ist leicht erklärlich, daß Sommerring, dessen Wort beim 
Herzoge so viel galt, bei Hofe auch manchen Freund hatte, besonders 
wird der fürstliche Hofkaplan Hahne unter diesen genannt; aber 
ebenso natürlich war, daß mancher ehrliche und der Herrschaft treu 
ergebene Diener die Fremdlinge mit mißtrauischen Augen ansah. 
Besonders aber durchschaute die edle Herzogin Hedwig die Schalk¬ 
heit und Büberei der Abenteurer. Hatten doch auch diese so viel 
bewirkt, daß der Fürst eine Zeitlang sein Herz und Gemüt gar von 
seiner Gemahlin abwandte. Aber ungehindert trieben die Alchi-
	        
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