Das Zipser Comitat. Flachsbau.
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Schrank mit hölzernem und thönernem Eßgeschirr, eine Wanduhr und im
Wandschranke einige Gebetbücher machen die ganze Ausstattung der dunstigen
Stube aus.
Durchwandern wir nun die einzelnen Bezirke, von denen der Kaschauer mit
seinen 8 Comitaten die östlichen Karpatengebiete mit dem Erzgebirge umfaßt!
Das interessanteste dieser Comitate ist die Zipser Ebene, die mitten in den wilde¬
sten Hochkarpaten mit ihren mageren Hafer- und Gerstenäckern liegt, und nur an
einigen geschützten Stellen den Anbau des Roggens und des Weizens erlaubt,
da Schnee zuweilen vor der Ernte die Felder bedeckt, und Zwetschen nicht reif
werden. Für diesen Mangel entschädigt der schöne tiefblaue Himmel, die reine
-Luft, der angenehme Sommer und der unermüdliche Fleiß der Zipser, der gegen
die wüthenden Winde und schauerlichen Gewitter viel zu kämpfen hat. Was dem
Lande an Fruchtbarkeit entzogen ist, das wird ihm an großartigen Naturschön¬
heiten gegeben, der Wein durch reichlichen Gerstensaft ersetzt, der Roggen durch
Erbsen, Haidekorn und Kartoffeln, die Wiesen durch Kleebau, Bergweiden und
Holzreichthum, der Weizen durch Kupfer- und Eisengruben, die süßen Weine
durch honigsammelnde Bienen, die Viehherden durch zahlreiches Wild, Forellen
und andere Fische, Butter und Schafkäse, so daß die Zipser im Ganzen wohl¬
habend sind. Sie sind ja auch die fleißigsten Flachsspinner und Leinwand¬
weber, unternehmende Handelsleute und tüchtige Jäger, die dem Bären, Wolf,
Murmelthier und Fuchs den Pelz abjagen, den Lachs sangen, der aus der Ostsee
durch die Weichsel und den Dunajec in die Popper bis Deutschendorf geht, die
den Auerhahn, das Birk- und Schneehuhn erlegen, nach Gemsen und Stein¬
adlern suchen und Rehe so wie Hirsche erbeuten und durch wirthschaftlichen
Sinn ihren Wohlstand fördern. Siehe den Zipser draußen gebückt im Felde stehen,
um den fingerlangen Flachs zu jäten, nachdem .er ihn bei feuchtem Wetter ge-
säet hat; dann aber, wenn die blauen Blüthen verwelkt, die Samenkapseln (Kno¬
ten) gelb geworden und die B/ätter (Federn) verwelkt abgefallen sind, rauft er
mühsam die Pflanze aus, schnürt sie in Bündel (Boßen) zusammen, riffelt sie
daheim mit eisernen Kämmen (Reffen), um die Samenknoten von dem Stengel
zu trennen, und trocknet sie endlich, um den Leinsamen auszudreschen oder in der
Sonne auslaufen zu lassen. Nun macht er kleine Bündchen (Pirelchen), röstet
sie 6—8 Tage im Wasser oder durch Thau, dörrt sie hernach in der Sonne oder
im Backofen, pocht und bricht sie, um die holzigen Fasern und Häute (Schieben)
zu entfernen, und hechelt sie endlich, um das Werch von den feineren Flachs¬
haaren zu scheiden. Im Winter spinnen Frauen und Mägde auf Spindel und
Rocken die Hanfwocken zu feinen Fäden , weifen sie zu Strähnen auf der Garn¬
winde, kochen sie'in Holzaschenlauge aus, zwirnen und bleichen sie, oder spulen,
scheren und schlichten sie, um sie auf dem Webstuhle (Gestell) mittelst eines
Rohrkammes und Schiffchens (Schützen) zu weben, an griechische Kaufleute zu
verhandeln oder für den eigenen Bedarf in Lauge einzuweichen, zu walken und
zu bleichen.
Außer dem Ackerbau, der Garnspinnerei und den bergmännischen Arbeiten ge-