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Das Waagthal.
seine Tochter Maria an den Markgrafen Sigismund von Böhmen auf Trentsin
vermählt hatte, blieb es bei der königlichen Familie, bis es an Zapolya als Erb¬
grafenthum gegeben ward, den der König zum Palatin erhob, worauf Stephan
fein Schloß in märchenhafter Pracht mit Gärten, Kaskaden, Schnitzwerk, Ver¬
goldung und Tapeten schmückte. An 72 Schlösser und Herrschaften gehörten
ihm, aber er und seine Nachkommen begehrten noch mehr. Johann Zapolya
strebte nach der Königskrone, erlag aber Ferdinand I., dessen General Graf
Katzianer das Schloß durch glühende Kugeln in Brand schoß und eroberte, so
daß Ferdinand es an Alerius Thurzo, Erbgrafen von der Zips, verkaufen konnte.
Später kam es an die Jllepeshazy's, diente sogar 1622 drei Monate als Aufbe¬
wahrungsort der Krone, ward von Franz II. Rakoczy 5 Jahre belagert und 1835
an den Freiherrn von Sina übergeben.
Je weiter man die Waag nach Süden zu begleitet, desto breiter und frucht¬
barer wird ihr Thal, um so reicher an Ortschaften, um so stattlicher die Buchen-
und Eichenwälder, um so größer die Obstgärten. Stattliche Magnatenschlösser
mit Parks und Kunstgärten prangen auf den grünen Hügeln, in den Städten
regt sich mannichfacher Gewerbfleiß, Leinwand - und Kotzenweber, Schuhmacher
und Sattler rühren sich, Jahrmärkte beleben den Handel, Schafherden weiden
auf der Haide Jatto, Jäger erbeuten auf dem Ententeiche bei Kopesan Tausende
von Wildenten, Weingärten grünen an den Hügeln schon bei Neustadtl im Ober-
Neitraer Comitat, Tausende von Pilgern ziehen nach dem wunderthätigen Ma¬
rienbilde zu Schloßberg, Schaulustige am Pfingstmontage zum Rosenfcstc in Na-
das; dagegen verfertigen die Habaner in Szobotiszt feuerfeste Dächer und Ge¬
schirre, die Strikehayer Sattelgestclle und Holzwaaren, und das klosterreiche Tyr-
nau erwarb sich den Beinamen Klein-Rom. Im Unter - Neitraer Comitat, ge¬
segnet durch Weinberge, geschmückt mit schönen Schlössern, mit Kunstgärten und
Kunstsammlungen, rühmt sich Neitra, schon in der vorungarischen Zeit gestanden
und Bischöfe gehabt zu haben, und in der That steht auf dem Schloßberge neben
der erzbischöflichen Residenz eine uralte Kathedrale. Das ganze Comitat ist eines
der gesegnetsten und schönsten im schönen, gesegneten Ungarn, und in der frucht¬
baren Ebene erhebt sich die Stadt anmuthig auf mehreren felsigen Hügeln, wäh¬
rend wald - und weinbcdeckte Berge den Hintergrund bilden, von denen der Zo-
borberg ein ehrwürdiges Kloster trägt. Wein - und Obstgärten umkränzen die
Stadt, auf die im Osten einige stattliche Thürme von Anhöhen niederschauen,
während nicht weit davon auf steilem Felsen das alte Kastell seine grauen Mauern
zeigt, und drunten die Neitra nach Mittag zu wie ein Silberfaden durch die grüne
Ebene sich windet. Lieblich blicken die schmucken Kapellen des Calvarienberges
aus dem Baumschatten in die Ebene, ernst dagegen erinnern die wilden Felsen¬
klippen hinter der Kapelle des Martinshügels an den landflüchtigen Franz Ra-
koczy, der hier die Fahne des Aufstandes erhob; aber minder freundlich als die
Umgegend ist die kleine Stadt der slovakisch redenden Neitraer Acker - und Wein¬
bürger.
Auch weiter hinauf wohnen Slovaken, denn nur in einigen Gegenden sie-