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XI. Das Russische Reich.
B. Das asiatische Rußland.
Es läßt sich am bequemsten überblicken, wenn man zuerst die
südlichen, dann die westlichen und zuletzt die östlichen Provinzen
betrachtet.
a) Zu den südlichen Provinzen des asiatischen Rußlands rechnen
wir die Länder zwischen dem Den, dem schwarzen Meere und dem cas-
pischen, oder die Gouvernements: Georgiewsk oder Kaukasien;
Tiflis oderGrusinien, oderGrusien mit den neu eroberten türki¬
schen und persischen Provinzen. Dieser südliche Theil, welcher im Sü¬
den von Persien, im Westen vom türkischen Reiche begränzt wird,
besteht wesentlich aus dem Gebirge Kaukasus, den Steppen an sei¬
nem nördlichen Fuße und den Gebirgslandern des südlichen Abhan¬
ges. Die Abhängigkeit dieser Länder von Rußland ist noch eine
sehr lose, da mehrere der südlichen Provinzen erst kürzlich, zum
Theil erst 1828, von Persien und der Türkei abgerissen worden,
die Einwohner aber, großentheils Muhainmedaner, nur durch die
Gewalt der Waffen von ihrem gewohnten räuberischen Leben abzu¬
bringen sind. Diese des herrlichsten Klima's und zum Theil hoher
Fruchtbarkeit genießenden Lander werden, außer den unzähligen
kleinen Flüssen, von vier Hauptströmen bewässert, welche sämmtlich
in dem Hochgebirge des Kaukasus entspringen: der Kuban (Hypa-
*iis), welcher westlich fließend sich bei der Halbinsel Taman, der
Krimm gegenüber, ins schwarze Meer, die Kuma und der Terek
(Udon), welche östlich fließend sich ins caspische Meer ergießen;
diese 3 gehören dem nördlichen Abhange an; der Kur (Cyrus)
endlich, welcher von Süden her den Aras, den Xr^xes der Alten
aufnimmt, ergießt sich nach einem südöstlichen Laufe ebenfalls ins
caspische Meer. Die Bewohner dieser schönen Länder, die Tscher-
kessen, die Inguschen, die Osseten, die Lesghier, die Awchasen
und viele andre ihnen verwandte Stamme, gehören, wie zu den
schönsten, so auch zu den rohesten Menschen auf Erden. Sie trei¬
ben zwar Ackerbau und Viehzucht, aber ihre liebste Beschäftigung
ist der Krieg, den sie theils unter sich, theils gegen die Bewohner
der benachbarten Lander führen. Selbst jetzt, wo diese Länder
dem russischen Zepter unterworfen sind, ist der Reifende noch m
großer Entfernung vom nördlichen Fuße des Gebirges nicht vor
Ueberfall und Sklaverei sicher: iin Gebirge selbst kann man nur
unter militairischer Bedeckung, noch besser aber unter dem erkauf¬
ten Schutze der einzelnen Stammhäupter reisen; denn Gastfreiheit
und gelobter Schutz sind ihnen heilig. Einige dieser Völker beken¬
nen sich zum Christenthum, andre zum Islam, aber diese haben
von ihren Glaubensgenossen kauin etwas anderes angenommen, als
die Enthaltsamkeit vom Schweinefleisch, und jene das Zeichen des
Kreuzes und einige abergläubische Gebrauche. Noch jetzt lebt der
größte Theil dieser Völker unter ihren eignen Fürsten m wähl er