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V. England unter Elisabeth.
wurde der neue Glaube eher gefestigt als erschüttert. Viele zogen sich
in wohlverborgene Schlupfwinkel zurück, um den Anbruch einer neuen
Zeit zu erwarten. Diese trat schneller ein, als man zu hoffen wagte.
Maria die Blutige — so wurde die grausame Königin später
vom Volke genannt — starb frühzeitig, ihr folgte ihre Stiefschwester
Elisabeth.
§ 23. Elisabeths erste Regierungsjahre. Elisabeth, die Tochter
Heinrichs VIII., hatte eine recht trübe Jugendzeit gehabt. Ihre Mutter
wurde verstoßen und enthauptet. Heinrich hatte gar kein Interesse für
die Tochter, die er unbeachtet Jahre lang in der Gefangenschaft schmachten
ließ. Hier benutzte sie die ihr gebotene Muße, um ihre Kenntnisse zu
erweitern und zu vertiefen. Dem protestantischen Glauben blieb sie
treu, selbst als derselbe auf das ärgste verfolgt wurde. Elisabeth ver-
band mit einer wahrhaft königlichen Haltung edle Weiblichkeit, so daß
sie schon bei ihrer Thronbesteigung durch ihr Äußeres aller Herzen ge-
wann. Bezeichnete doch auch ihr Regierungsantritt die Rückkehr zum
Protestantismus. Elisabeth trachtete danach, ihr Land durch eine gute
und weise Regierung glücklich zu machen. Um dies allein im Auge
haben zu können, verzichtete sie selbst zeitlebens aus einen Ehebund.
England, pflegte sie zu sagen, sei ihr Gatte, und jeder Unterthan ihr
Sohn. Als König Philipp II. von Spanien um ihre Hand anhielt,
antwortete sie sein, daß sie ihm niemand vorzuziehen wüßte, wenn sie
sich überhaupt verheiratete. Gern hörte sie, wenn man ihre Schönheit
und Ehelosigkeit rühmte. Nach ihrem Regierungsantritt wurden die
protestantischen Einrichtungen sogleich wiederhergestellt. Dies erregte
freilich den Unwillen der Katholiken, um so mehr als diese nicht Elisabeth,
sondern deren entfernte Verwandte Maria Stuart als thronberechtigt
ansahen.
§ 24. Maria Stuart. Maria Stuart herrschte über Schottland.
Nur kurze Zeit war sie mit König Franz II. von Frankreich vermählt
gewesen. Nach dem Tode ihres Gemahls kehrte sie nach Schottland
zurück, wo sie jedoch nur mit dem größten Mißtrauen aufgenommen
wurde, da ihr Eifer für das Papsttum bekannt war.
Das Hauptbestreben Marias war, ihr Erbrecht auf die eng-
tische Krone von Elisabeth anerkannt zu sehen. Aber diese gab nur
allgemeine Zusicherungen und wollte sich auch bei allem Entgegenkommen
Marias nicht binden. Maria vermählte sich dann mit einem der vor-
nehmsten Schotten. Später entledigte sie sich ihres Gatten wieder.
Dadurch zerfiel sie mit dem Volke und sah keine andere Rettung als
die Flucht nach England.