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stehenden Senfsamen gelb gefärbt. Auch steht man hie und da einen Baum auf 
dem Gipfel des Hügels neben dem Haufe. DieHäuser sind hier in ganz anderer Art gebaut 
wie auf der Geest: sie sind nur einstöckig, lang, von Ziegeln, ohne vielen Holzaufwand; 
über den niedrigen Thüren ist immer ein kleiner schmaler Bogen, der schnee¬ 
weiß angekalkt ist. Neben den Thüren findet man 2 eiserne Ringe angeschlagen, 
um Reitpferde daran anzubinden; denn bei der Wegelosigkeit der Marsch im Herbst 
und Winter reiten die Bewohner lieber zu einander, als daß sie gehen. 
Einen eigenthümlichen Anblick in der Landschaft gewähren die Deiche, die sich 
in langen Linien durch die Wiesen strecken. Weil sie erhaben und daher trockener 
sind, als die tieferliegenden Marschen, so legt man gern auf ihrem Rücken Wege an. 
Die Wagen, Fußgänger und Reiter auf denselben gewähren in der Ferne einen 
eigenthümlichen Anblick. Sie sehen gespenstisch aus, und man begreift, warum die 
Marschbewohner so oft Gespenster auf den Deichen wandeln sehen. 
Geest, Marsch und Watten, welche Gegensatze! Erstere, die Geest, ist im Ver¬ 
hältnisse zur Marsch ziemlich hochgelegen, hügelig, mit Quellen und Bächen, hier 
und da mit Wald, mit schönen Baumpartieen versehen, oft haidig, sandig, stellen¬ 
weise bebaut, im Ganzen minder fruchtbar. Darauf folgt die niedrigere, ebene, 
flache Marsch, kahl, fast völlig baumlos, ohne Steine, ohne Quellen und Flüsse, 
von Deichen und schnurgeraden Kanälen durchzogen, ein ununterbrochen fetter, 
höchst fruchtbarer Erdstrich, Acker an Acker, Wiese an Wiese, letztere im Soinmer 
bis spät in den Herbst mit Heerden weidender Rinder bedeckt, ein wahres Paradies 
für diese Thierwelt. 
Darauf endlich und dem, fluthenden Meere am nächsten die Watten. Welcher 
Contrast derselben gegen die'Marschen, und wie hebt er das volle und grünende 
Leben der letzteren! 
174. Die Moore Norddeutschlrmds und Niederlands. 
Drei landschaftliche Erscheinungen sind es, welche das Land der deutschen Nord¬ 
seeküste besonders auszeichnen, nämlich das Geest-, Moor- und Marschland. 
Daß Geestland' ist der älteste Boden, Moor- und Marschland sind späteren Ur¬ 
sprungs. Von wo aus man auch der Nordseeküste sich naht, überall betritt man 
zuerst die Geest, die in der lüneburger Haide in der größten Ausdehnung und in der 
magersten Gestalt auftritt. Im Allgemeinen versteht man unter Geest das höher 
gelegene, fester gebildete, mehr oder weniger magere, sandige und trockene Land, wie 
denn auch „geest" oder „güst" in der plattdeutschen Sprache trocken bedeutet. Doch 
würde man irren, wenn man sich unter der Geest durchaus unfruchtbares Land vor¬ 
stellen wollte; die lüneburger Haide ist allerdings sehr ärmlich, aber anderwärts 
gedeihen Roggen, Gerste, Hafer, Flachs, Rüben u s. f. mehr oder minder gut; bei 
guter Düngung zieht man an vielen Orten 3 bis 4 Jahre gute Roggenernten vom 
Geestlande und baut dann noch Hafer darauf. 
Das Marschland ist das höchst fruchtbare Land, welches durch das von den 
Flüssen der Küste zugeführte feine Erdmaterial gebildet wird, welches sich unter 
Beihülfe des wogenden Meeres an die Geest ansetzte, etwa wie das Fleisch an den 
Knochen angelegt ist.. Es zieht sich an der Meeresküste und an den Usern der 
Ströme neben und zwischen Geest und Mooren umher. 
Die Moore oder Brücher liegen zwischen den dürren Sandländern und sind die 
unfruchtbarsten Landstriche. Kein Strauch unterbricht diese unübersehbaren Einöden; 
sie sind spärlich mit kurzem schilfigem Moorgrase und höchstens mit Binsen be¬ 
wachsen, und stellenweise tritt braunes übelschmeckendes Wasser zu Tage. Eine 
Todtenstille ruht auf ihnen, höchstens unterbrochen durch das Geschrei des Kibitz, 
der in Brüchen seine Nester baut, oder durch den klagenden Laut des einsamen 
Moorhuhnes. Meist sind diese Moräste 3 —10, hie und da an 20 Fuß mächtig. 
Wehe dem Unkundigen, der es wagte, über solchen Boden zu wandeln! Ohne die 
langen an den Füßen befestigten Brettersandalen der Eingeborenen, eine Erinnerung 
an den scandinavischen Schneeschuh, würde er an vielen Stellen unfehlbar in dem 
tiefen Moore allmälig versinken, wenn nicht rettende Hülfe baldigst mit Tauen und 
Brettern zur Seite steht. 
So armselig aber auch die Moore erscheinen, so sind sie doch dadurch interessant, 
daß sie ein schlagendes Zeugniß sowohl von der schöpferischen Naturkraft als von der 
Erfindungskraft des Menschen ablegen. Sie wurden hervorgerufen durch das sich
	        
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