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Es schlug fünf Uhr vom Thurme in Hochkirch, als die
Preußen durch die Kugeln ihres eigenen Geschützes aus dem Schlafe
geweckt oder niedergefchmcttert wurden. Wie aus der Erde ge-
stiegen standen die Feinde plötzlich mitten in ihrem Lager. Auf
den entstandenen Lärm griffen die Überraschten zu den Waffen
und sammelten sich, so gut es die Dunkelheit zuließ. Das flam¬
mende Dorf war das einzige Licht, das ihnen leuchtete. Ver¬
gebens boten die Feldherren Alles auf, ihre Scharen zu ordnen
und den Feind aus ihrem Lager zu schlagen; — der General
Keith wurde von zwei Kartatschenkugeln durchbohrt, dem Prinzen
Franz von Braunschweig durch eine Kanonenkugel der Kopf weg¬
gerissen, und Prinz Moritz von Dessau tödtlich verwundet. Mit
Sehnsucht harrten die Bedrängten auf den anbrechenden Tag;
allein auch dieser brachte keine Hülfe; denn ein dichter Nebel
hinderte den König, sein und das östrcichische Heer zu übersehen.
Endlich schwand der Nebel, und nun erkannte der König, daß
die Ordnung seines Heeres zwar wieder hcrgestellt, zugleich aber
dessen eine Seite schon umgangen sei. Er ließ deshalb den Rück¬
zug antreten, und dieser erfolgte mit solcher Ordnung, daß Daun
ihn nicht zu stören wagte. Er zog sich in sein Lager zurück,
gleich als ob der König den Sieg gewonnen hatte.
Dieser Überfall bei Hochkirch kostete dem Könige neun tau¬
send Mann und fast alles Geschütz und Gepäck. Dennoch verlor
er den Muth nicht und suchte ihn auch bei seinen Soldaten auf¬
zufrischen. Als die Artilleristen ohne Geschütz an ihm vorüber-
zogcn, rief er scherzend: „Wo habt ihr denn eure Kanonen ge¬
lassen?^ „Der Teufel hat sie zur Nachtzeit geholt!" war die
Antwort. — „Nun, so wollen wir sie ihm bei Tage wieder ab¬
nehmen. Nicht wahr, Grenadiere!" — „Ja, — sprachen diese
— so ist es recht; sie sollen uns t^ich noch Interessen dazu ge¬
ben!" Durch künstliche Marsche gelang es ihm, nach Schlesien
zu entkommen, — wovon Daun ihn doch hatte abschneiden
wollen, — und seine Festung Neiße zu entsetzen. Daun aber
bekam für seinen Sieg vom Papste einen geweihten Hut und
Degen. Unterdessen hatte der Herzog Ferdinand von Braunschweig
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