8
Weltgeschichte.
Dex Räuber antwortete: „Ich thue eS zu meinem Vortheil und mache es nicht anders
wie du selbst. Weil ich aber mein Geschäft mit einer einzigen Galeere treibe, während
du es mit einer großen Armee treibst, so nennt man mich einen Seeräuber, und dich
einen großen König statt einen Landräuber." Diese kühne Antwort gefiel dem Alexander
fo, daß er den Räuber in Freiheit setzte.
23. Seltene Gerechtigkeit. Auf seinem Zuge, die Welt zu erobern, kam
Alexander, der Macedonier, zu einem Volke in Afrika, das in einem abgeson¬
derten Winkel in friedlichen Hütten wohnte und weder den Krieg noch den Eroberer
kannte. Man führte ihn in die Hütte des Beherrschers, um ihn zu bewirten. Dieser
setzte ihm goldene Datteln, goldene Feigen und goldenes Brot vor. „Esset ihr hier
Gold?" fragte Alexander. „Ich stelle mir vor", sprach der afrikanische Fürst, „genie߬
bare Speisen hättest du in deinem Lande wohl auch finden können. Weshalb bist du
zu uns gekommen?" „Euer Gold hat mich nicht hierher gelockt", antwortete Alexander;
„aber eure Sitten möchte ich kennen lernen." „Run wohl", erwiderte jener, „fo weile
denn bei uns, so lange es dir gefällt."
Indem sie sich so unterhielten, kamen zwei Bürger vor Gericht. Der Kläger
sprach: „Ich habe von diesem Manne ein Grundstück gekauft, und als ich den Boden
durchgrub, fand ich einen Schatz. Dieser ist nicht mein; denn ich habe nur das Grund¬
stück erstanden, nicht den darin verborgenen Schatz, und gleichwohl will ihn der Ver¬
käufer nicht nehmen." Der Verkäufer als der Beklagte antwortete: „Ich bin ebenso
gewissenhaft wie mein Mitbürger. Ich habe ihm das Gut natürlich sammt allem, was
darin verborgen war, verkauft und also auch den Schatz." Der Richter wiederholte
ihre Worte, damit sie sähen, ob er sie recht verstanden hätte, und nach einiger Ueber-
legung sprach er: „Du hast einen Sohn, Freund, nicht wahr?" — „Ja!" — „Und du eine
Tochter?" — „Ja!" — „Nun wohl, dein Sohn soll deine Tochter heirathen und das
Ehepaar den Schatz als Heirathsgut bekommen."
Alexander schien betroffen. „Ist etwa mein Ausspruch ungerecht?" fragte der Fürst.
„O nein", erwiderte Alexander, aber er befremdet mich." „Wie würde denn in eurem
Lande diese Sache entschieden sein?" fragte jener. „Die Wahrheit zu gestehen", ant¬
wortete Alexander, „wir würden beide Männer in Verwahrung gehalten und den
Schatz für den König in Besitz genommen haben." „Für den König?" fragte jener
voll Verwunderung. „Scheint denn in eurem Lande auch die Sonne?" „O ja?"
„Regnet es dort auch?" (vgl. Matth. 5, 45). „Allerdings?" „Sonderbar! Gibt es
auch zahme, krautfressende Thiere dort?" „Von mancherlei Art." „Nun", sprach der
Afrikaner, „so wird wohl das allgütige Wesen um dieser unschuldigen Thiere willen in
eurem Lande die Sonne scheinen lassen; ihr Menschen verdient es nicht!"
(Engel, nach dem Talmud.)
Gesammelt und bearbeitet von Dr. Jütting.
5. Tapferkeit und Rechtschaffenheit der alten Römer.
1. Die Horatier und Curiatier. Als Rom einst in Streit mit Albalonga,
seiner Mutterstadt, gerieth, kam man überein, denselben als einen unnatürlichen durch einen
Zweikampf Einzelner entscheiden zu lassen. Zu diesem Kampfe wurden zwei Paar Drillings¬
brüder ansersehen, die sich zufällig bei den Heeren befanden: die römischen Horatier
und die albanischen Curiatier. Nachdem der Vertrag beschworen und durch Opfer be¬
kräftigt worden war, traten die erwählten Vorkämpfer unter lauten Ermunterungen
ihrer Mitbürger auf den Kampfplatz zwischen die beiden Heere. Das Zeichen zum An¬
griff wird gegeben. Wüthend stürzen die Jünglinge mit gezückten Schwertern auf ein¬
ander los. Mit der größten Spannung folgen die Zuschauer dem Verlaufe des Kampfes.
Plötzlich stürzt ein Römer und bald darauf noch ein anderer sterbend hin. Bei ihrem
Falle tönt ein Jubelgeschrei aus dem albanischen Lager zu dem römischen herüber.
Allein alle drei albanischen Kämpfer sind verwundet, während der eine Römer unver¬
sehrt geblieben ist. Um die ihm gegenüberstehende dreifache Gewalt zu theilen, heuchelt