Full text: Beschreibung der Preußischen Rheinprovinzen (Theil 1)

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Mit zufriedenem und bescheidenem Sinn ernten 
sie den jährlichen Ertrag ihrer Bemühungen, und theilen 
gerne dem Dürftigen von ihrem Ueberfluffe mit. 
Das ganze Jahr hindurch legt nicht leicht ein Mensch 
des ganzen Kreises sich hungrig zu Bette — es ist ein 
gesegnetes Land, das dem Bewohner zwar kein glanzen¬ 
des Glück, aber dem Fleißigen doch stets sein bescheiden 
Theil darbietet. 
Wie der Mensch in unserm Kreise keine hohen An¬ 
forderungen an die Natur macht, so darf man auch keine 
großen Anforderungen an ihn selbst machen. Er würde 
sie doch nicht befriedigen. Der Schöpfer hat ihn nicht 
mit besondern Gaben und Vorzügen des Leibes und Gei¬ 
stes ausgestattet; er ist ein Mensch gewöhnlichen, guten 
Schlages, ohne aufstrebenden. Alles versuchenden Sinn. 
Nur in eng geschloffenen Landstrichen, die mit Völker- 
scheidenden Höhen von den angranzenden Landern ge¬ 
trennt sind, nicht in Flachländern bilden sich besondere 
hervorstehende Eigenthümlichkeiten und große Vorliebe 
zum beimischen Boden. 
Nicht wie der Siegerländer mit Hochgefühl spricht: 
„es giebt nur ein Siegerland," spricht man hier:" es 
giebt nur ein Getderland," oder „es giebt nur eine Graf¬ 
schaft Mors," sondern den Bewohnern derselben gefallt 
es auch da, wo ihr Lebensunterhalt gesichert ist. 
Höhere Anforderungen machen sie auch an die Regie¬ 
rung nicht, als die, daß sie möglichst geringe Abgaben 
verlange und sie in altem Herkommen, wo möglich gar 
nicht, störe. 
Deßwegen sind Land und Leute auch leicht zufrieden 
zu stellen und leicht zu regieren. 
Gönnen wir daher unsern bescheidenen, stillen Lands¬ 
leuten ihren behaglichen, zufriedenen Sinn, ihren frohen 
Lebensgenuß und ihre Meinung von der Vortrefflichkeit 
des Althergebrachten, uud bekämpfen wir ihn nur da, 
wo höhere Pflichten es gebieten! Sonst werde hier 
wahr, was der gute Heinrich IV. seinem Frankreich 
wünschte, daß jeder Bauer des Sonntags sein Huhn im 
Topfe haben möge! 
Wie der Mensch, so bietet hier die Natnr keine her¬ 
vorstechenden Seiten und Schönheiten dar. Nackt und 
öde liegen im Winter die Fluren da, und nirgends wird 
das Auge von einzelnen großartigen Ansichten gefesselt. 
Aber der Frühling bringt Reiz und Leben auf den Erd¬ 
boden. Da grünen die Felder und Wiesen, der Busch
	        
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