Full text: Drittes Schulbuch für die Oberclassen der Volksschule

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Wie es aber zugeht, daß die Pflanzen wachsen 
und gedeihen, das ist uns ein eben so großes Rathsel, 
als das Wachsthum der Thiere und Menschen. Wel¬ 
cher Sterbliche kann die Wunder der Natur ergründen 
und begreifen? Monden lang schläft das kleine Sa¬ 
menkorn unter Schnee und Eis; Niemand pfleget sein; 
und doch keimt es zur bestimmten und rechten Zeit, 
und wächst kräftig aus der Erde empor, oft zum grö߬ 
ten Baume. Jedes Samenkorn bestehet aus einem 
mehlartigen Kern, der von einer festen Schale geschützt 
wird. An ihm bemerkt man, wenn man es genauer 
betrachtet, einen kleinen erhabenen Punkt; er ist das 
Herzchen und der wirkliche Keim der künftigen Pflanze. 
Kommt der Frühling mit seinen wärmeren Sonnen¬ 
strahlen: dann regt sich dieser Keim, gewinnt Leben, 
schwillt auf, zersprengt die ihn umgebende Schale, 
senkt seine Spitzen in den Erdboden und sucht sich selbst 
seine Nahrung. Aus dieser Spitze treibt er kleine Fa¬ 
sern hervor, die gar bald zur Wurzel werden. Wer 
lehrt dieß dem Keime? Mag man das Körnlein ver¬ 
kehrt oder gerade in oder auf die Erde legen, es wird 
sich doch zu seiner Zeit ganz von selbst so drehen und 
richten, wie eS liegen muß, wenn es Wurzeln und 
seinen Halm oder Stamm treiben soll. Wer kann das 
begreifen? — Müssen wir nicht erkennen, daß sich 
Gottes Sorge auch auf daö kleinste Samenkorn er¬ 
streckt? — Und wie mannigfaltig sind diese Wurzeln 
bei allen den verschiedenen Pflanzen l Da giebt es 
einige, die mit festem Pfahle in gerader Richtung 
in die Erde bohren, um dem künftigen Stamm eines 
riesenhaften Baumes vor der Macht der Stürme Hal¬ 
tung zu verschaffen. Nichts widerstehet der Gewalt 
dieser Wurzel; Mauern und Felsen müssen vor ihnen 
weichen. Andere dehnen sich mit vielen Ästchen und 
feinen Fasern mehr in die Breite aus, ohne tief in 
die Erde zu dringen. Einige sind hohl und röhrenar¬ 
tig, andere schuppig, haarig, holzig, oder fleischig. 
Und wie verschiedenartig sind die Gewächse, die von 
diesen Wurzeln gehalten werden und aus den zarten 
Pflänzchen sich entwickeln! Einige werden zu Schwäm¬ 
men, die über Nacht an schattigen und feuchten Or¬ 
ten wachsen; zu Moosen an dürren Felsen und Steinen;
	        
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