XII. Maurenbrecher, Deutschland von 1850 bis 1856. 175
ftitutioneUe Schablone sie ihm einzuräumen pflegte. Jene völlige
Unterordnung der Krone unter den Willen des Parlamentes, wie sie
in Belgien, in Piemont, auch in England der Sitte und dem Rechte
des Landes entsprach, würde im preußischen Verfassungsrecht keines¬
wegs begründet erscheinen. Aus dem Zusammenwirken von Krone
und Volksvertretung sollte in Preußen das staatliche Leben hervorgehen.
Dies war und blieb eine gesicherte Errungenschaft der Bewegnngs-
jahre in und für Preußen. Alle Gelüste der Reaktion, so ost sie auch
sich hervorwagten, waren nicht mehr kräftig genug, das neue Staats¬
recht zu dem alten Zustande zurückzuschrauben oder umzubrechen.
Für das innere Leben Preußens brachte also die Revolution
immerhin einen wesentlichen Fortschritt, eine Weiterentwicklung, deren
Segen immer deutlicher sühlbar wurde.
Für die deutsche Sache hatte die Einheitsbewegung klüglich
geendet: von sittlichem und politischem Katzenjammer waren daher
viele deutsche Patrioten 1850 und 1851 ergriffen. Aber die Er¬
nüchterung der Geister, die nun eintrat, hatte die allerbesten Folgen.
Das allgemeine Mißbehagen und Mißvergnügen über die jüngsten
Erlebnisse führte zu gründlichem Nachdenken hin über die Gründe des
nationalen Scheiterns. Und aus dem Nachdenken über die Erfahrungen
jener Jahre 1848 bis 1850 haben viele Patrioten in Deutschland
gründlich gelernt. Die Überzeugung, daß einzig mit und durch Preußen
der deutsche Staat zu schaffen möglich sei, wurzelte in den Geistern
fest und machte stets weitere Propaganda. Mehr und mehr wurden
die Politiker auch darüber sich klar, daß die Auseinandersetzung mit
Österreich allem anderen vorangehen müsse. Man kam zu ber Folge¬
rung, daß ber Ausschluß Österreichs aus Deutschlanb unlöslich ver¬
bunden wäre mit ber Jbee, das Deutsche Reich auf Preußen zu be¬
gründen.
Diese Einsicht stützte man 1850 auf die gemachten negativen
Erfahrungen. Anfangs faßten nur einzelne Männer die Sache so
auf; aber die Überzeugung verbreitete sich dann immer weiter: Dahl¬
mann, Duncker, Droysen, Häußer und Sybel erhoben sich, um durch
die Lehren der historischen Wissenschaft diese Sätze zu begründen; das
Ergebnis ihrer Betrachtung der deutschen Geschichte führte sie zu diesem
Programm hin, das sie laut in Büchern und Vorträgen verkündeten.
Die deutschen Universitäten haben in der That einen Anspruch baraus,
als ein wichtiger, maßgeknber Faktor für biefe Entwicklung ber
Dinge zu gelten.