Object: Lehrstoff der mittleren und oberen Klassen (Teil 2)

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werk wurde immer mehr durch den Großbetrieb verdrängt. Sei¬ 
fensieder, Gerber, Töpfer, Handschuhmacher, Schneider, Schuh¬ 
macher, Hutmacher, Schleifer, Tischler, Schlosser, Drechsler, Buch¬ 
binder, sie alle konnten sich neben der Maschine nicht behaupten. 
Natürlich suchten die kleinen Leute, welche sich auf eigenen 
Füßeu nicht halten konnten, ein Unterkommen in den Großbe¬ 
trieben, und so wurde die Zahl der abhängigen, besitzlosen Fa¬ 
brikarbeiter immer größer. Auf der einen Seite wenige, aber 
mächtige Kapitalisten, auf der anderen zahllose, aber arme Ar¬ 
beiter: das Proletariat. 
Außer der Verarmung breiter Volksschichten bewirkten die 
Großbetriebe noch anderes Elend. Tie Fabriken mit ihrem 
Lärm, ihrem Staub und ihrer Hitze boten einen ungesunden 
Aufenthaltsort; die Arbeiter drängten sich in den großen In¬ 
dustriestädten zusammen, wo es häufig an Luft und Raum, an 
gesundem Trinkwasser und gesunder Nahrung fehlte; der Geist 
des Arbeiters wurde durch die gleichförmige Wiederholung einer 
und derselben Thätigkeit ohne Ende und ohne Aussicht aus 
Veränderung abgestumpft; Frauen und Kinder waren aus Ar¬ 
mut gezwungen, in den Fabriken mitzuverdienen; bei der Ar¬ 
beitslast, die ans der Frau ruhte, konnte sie unmöglich dem 
Manne sein Heim behaglich gestalten und für die Erziehung ihrer 
Kinder forgen. 
Lassalle. Besonders früh traten diefe Übelstände in England und 
Frankreich zu Tage, und daher haben auch zuerst dort die Ar¬ 
beiter versucht, ihre Lage zu bessern. In Deutschland, wo die 
Industrie sich langsamer entwickelte, erwachten ähnliche Ver¬ 
suche erst spät; erst im Jahre 1863 gründete Ferdinand Lassalle 
den allgemeinen deutschen Arbeiterverein. 
Ferdinand Lassalle ist in Breslau als Sohn eines wohlhaben¬ 
den jüdischen Seidenhändlers geboren, studierte auf den Uni¬ 
versitäten Breslau und Berlin Sprachen und Weltweisheit und 
schrieb zwei wissenschaftliche Werke, durch welche er die Augen 
der gelehrten Welt auf sich lenkte. Aber sein maßloser Ehr¬ 
geiz wurde durch den Beifall, welchen diese Werke ihm brach¬ 
ten, nicht befriedigt. Er wollte auf größere Massen einwirken, 
wollte Erster, Führer sein, und darum blieb für ihn nur die 
Politik ein geeignetes Arbeitsfeld. 
In Preußen herrschte gerade der Zwiespalt zwischen der 
Regierung und der Volksvertretung über die Neuordnung des
	        
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