Object: Gedichtsammlung aus den letzten 150 Jahren deutscher Dichtung (Teil 3, [Schülerband])

Beneke. 
15 
2. 
1. Das Ächzen und das Wimmern durchbebt den weiten Raum, 
Nacht ist's, die einz'ge Ampel bescheint den Altar kaum; 
Und in die langen Reihen voll Tod und Todespein 
Tritt Plötzlich ganz alleine der große König ein. 
2. Er, den nach aller Sage noch keine Kirche sah, — 
In schauriger Gemeinde des Todes steht er da. 
Er wandelt auf und nieder vom Altar bis zum Chor 
Und bringt sein finstres Auge vom Boden kaum empor. 
3. Er winkt hinauf zur Orgel, die Töne sind erwacht, 
Sie klingen sanft und friedlich nun durch die Schreckensnacht. 
Und alles Weheklagen und Röcheln ringsherum 
Wird bei den Orgeltönen allmählich grabesstumm. 
3. 
1. Der Küster hat geendet, er wagt es weiter nicht. 
Er harrt des Winks gewärtig. — Und König Friedrich spricht: 
„Spiel er mir eins, was mächtig zum Innersten dringt durch; 
Ein Kirchenlied, ein altes, das von der festen Burg!" 
2. In feierlichen Klängen das Lied zum Himmel schwebt, 
Drin eine ganze Allmacht von Gottvertrauen lebt, 
Die heldenkräst'ge Weise, die Martin Luther sang, 
O wie sie nun erhebend den blut'gen Raum durchdrang! 
3. Der König schreitet langsam die Kirche auf und ab. 
Gott weiß, was für Gedanken das alte Lied ihm gab. 
Die Sterbenden daneben erquickt das Orgelspiel, 
Manch todeswunder Krieger entschlummert sanft und still. 
4. 
1. Der Küster hat geendet. Die Orgel ruht und schweigt. 
Der große König leise sein Haupt wie betend neigt. 
Und als nach einer Weile die Kirche er verläßt, 
Wie ist sein Blick geworden so freudig, klar und fest! 
2. Da steht er vor dem Schlachtfeld, gestützet auf sein Rohr, 
Und blickt durch Nacht und Wolken zum Himmel hoch empor. 
Das war ein Blick! Drin leuchtet ein ganzes Weltgeschick, 
Aus seinen Heldenaugen ein echter Friedrichsblick! 
3. So hat der große König ganz einsam und allein 
Mit Sterbenden und Toten in schauriger Gemein' 
Nah der verlornen Walstatt der Kunersdorfer Schlacht 
Den Gottesdienst gehalten in stiller Mitternacht! 
1838. 
Gedichte. S. U ff.
	        
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