Full text: Der sächsische Kinderfreund

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er denn bleiben wolle, wenn sich kein Fürst seiner annehmen werde. 
Rasch erwiderte Luther: „Unter'm Himmel, oder gar im Himmel." 
Auch schrieb er von Augsburg aus an seinen Freund Melanchthon: 
„Ich will mich für euch schlachten lassen, wenn's Gott also will; denn 
lieber will ich sterben, als widerrufen, was ich nach der Wahrheit be¬ 
hauptet habe." Uebrigens war es gut für ihn, daß er zu Augsburg 
eine große Anzahl Anhänger hatte. Denn der Cardinal wollte auf 
Befehl des Papstes seinen Gegner heimlich gefangen nehmen und nach 
Rom schassen lassen. Aber seine Freunde brachten den Wittenberger 
Mönch am 20. Oetbr. des Nachts durch ein kleines Psörtchen zur 
Stavt hinaus, setzten ihn auf ein Pferd und gaben ihm einen sichern 
Begleiter mit, so daß er glücklich wiever in Wittenberg anlangte. So 
hatte also die Unterredung mit Cajetan die Sache noch schlimmer ge¬ 
macht als zuvor, und man sah deutlich ein, daß Gott Luther dießmal 
aus vielen Gefahren gerettet habe, um ihn für wichtige Zwecke auf¬ 
zubewahren. 
Luthers Unterredung mit Miltitz. 
Cajetan war über die heimliche Entfernung Luthers sehr erbittert 
und schrieb daher an Friedrich den Weisen, er möge diesen Friedens¬ 
störer aus Sachsen vertreiben. Der Churfürst kam dadurch in große 
Verlegenheit. Er wollte eben so wenig den Streit fortgesetzt sehen, 
als Luther von der Universität zu Wittenberg entfernen, der schon im 
Begriffe stand, sich nach Paris auf die dasige Universität zu begeben. 
Friedrich antwortete dem Cardinal, er könne Luther nicht entlassen, 
wenn er nicht des Irrthums überführt sei. Jetzt sann man in Rom 
'darauf, wie man das wieder gut machen könne, was Cajetan durch 
seine Heftigkeit verdorben hatte. Der Papst pflegte nämlich alljährlich 
eine goldene Rose, die er unter manchen Feierlichkeiten geweiht hatte, 
an eine fürstliche Person zu verschenken. Dießmal war sie Friedrich 
dem Weisen zugedacht, damit derselbe den widersetzlichen Mönch nach 
Rom schicken sollte, Ein Meißnischer Edelmann und päpstlicher Kam¬ 
merherr, von Miltitz, ward auserlesen, dieses Geschenk zu über¬ 
bringen und sich mit Luther zu besprechen. Miltitz, ein kluger Mann, 
überzeugte sich sehr bald, daß Tetzel alle Schuld trage, und daß die 
neue Lehre schon viele Freunde zähle. Er machte daher Tetzel in 
Leipzig gerechte Vorwürfe, worauf dieser krank ward und im Domini¬ 
kanerkloster zu Leipzig am 14. Jan. 1519 starb. Sein Grab befindet 
sich in der Paulinerkirche daselbst. Luther, der von Tetzel's Krank¬ 
heit hörte, schrieb sogleich an seinen Gegner und sprach ihm Trost zu, 
eingedenk der Worte Jesu: Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, 
thut wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen. Mit Luther ver¬
	        
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