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271. Kaiser Mar auf der Martinswand.
Willkommen, Tirolerherzen, die ihr so bieder schlagt!
Willkommen, Tirolergletscher, die ihr den Himmel tragt!
Ihr Wohnungen der Treue, ihr Täler voller Duft,
Willkommen, Quellen und Triften, Freiheit der BergeslustI —
Wer ist der kecke Schütze im grünen Jagdgewand,
Den Gemsbart auf dem Hütlein, die Armbrust in der Hand?
Des Aug' so flammend glühet wie hoher Königsblick;
Des Herz so still sich freuet am kühnen Jägerglück?
Das ist der Max von Habsburg auf lust'ger Gemsenjagd;
Seht ihn auf Felsen schweben, wo's kaum die Gemse wagt!
Der schwingt sich auf und klettert in pfeilbeschwingtem Lauf;
Hei, wie das geht so lustig durch Kluft und Wand hinauf!
Jetzt über Steingerölle, jetzt über tiefe Gruft,
Jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft!
Und jetzt? — Halt ein, nicht weiter! Jetzt ist er festgebannt:
Kluft vor ihm, Kluft zur Seite und oben jähe Wand!
Der Aar, der sich schwingt zur Sonne, hält hier die erste Rast,
Des Fittichs Kraft ist gebrochen und Schwindel hat ihn erfaßt;
Wollt' einer von hier zum Tale hinab ein Stieglein bau'n,
Müßt', traun, ganz Tirol und Steter die Steine dazu bchau'n,
Wohl hat die Amm' einst Maxen erzählt von der Martinswand,
Daß schon beim leisen Gedanken das Aug' in Nebeln schwand;
Und ob sie wahr erzählte, erseh'n nun kann er's hier;
Daß er's nie weiter plaudre, gesorgt ist schon dafür!
Da steht der Kaisersprosse; Fels ist sein Throngezelt,
Sein Zepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält;
Auch ist eine Aussicht droben so weit und wunderschön,
Daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergehn.
Tief unten liegt das Jnntal, ein Teppich lustiggrün.
Wie Faden durchs Gewebe zieh'n Straß' und Strom dahin.
Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zuhauf
Und schau'n wie Friedhofhügel zu Maxen mahnend aus.
Jetzt stößt er, Hilfe rufend, mit Macht hinein ins Horn-
Daß es in Lüsten gellet, als dröhnte Gewitterzorn;
Ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt;
Es dringt ja nicht zu Tale des Hilferufs Gewalt.