Full text: Der sächsische Kinderfreund

Mensche n." Aber bald fand inan für nöthig, die Bilder 
von Jesu, von der Maria, von den Heiligen einer vorzüg¬ 
lichen Aufmerksamkeit zu würdigen. Man beugte vor ihnen 
die Kniee;' man küßte sie; man entblößte vor ihnen das 
Haupt; man unternahm weite Reisen zu ihnen; man zün¬ 
dete Lampen vor ihnen an, und brachte Weihrauch, um 
ihnen die gebührende Ehre zu erweisen. 
Das Evangelium lehrt: „Aus Gnaden seyd ihr 
selig g e w o r d e n durch den Glauben, nicht aus 
denWerke n, auf daß s i ch nichtIemand r ü h m e." 
Aber bald behauptete man gegen die Lehre Jesu, daß der 
Mensch sich sein>' Seligkeit verdienen, ja daß er noch mehr 
thun könne, als Gott von ihm fordere. Wer z. B. viel 
safte, wer seine Güter an die Kirche verschenke und sich 
freiwillig in Armuth begebe, wer beschwerliche Wallfahrten 
zu den Oertern unternehme, wo die Ueberreste der Heiligen 
aufbewahrt würden, oder wer seine Lebenszeit hindurch un- 
verheirathet bleibe, der habe nicht nur einen Lohn für sich, 
sondern auch für Andere verdient. 
Das Evangeliuin lehrt: „Daß du verdammt wer¬ 
dest in i t deinem Gelde, daß du meinest, Gottes 
Gabe werde durch Geld erlang t." Aber bald be¬ 
stätigte inan den schädlichen Irrthum, der Papst habe die 
Gewalt, dem Sünder das Gute anzurechnen, was die 
Heiligen über ihre Pflicht gethan hatten. Solcher Erlaß 
der Sünden hieß Ablaß. Ja nian ging so weit, daß man 
den Ablaß verkaufte, Ablaßbriefe fertigte, auf denen die 
schriftliche Versicherung stand, daß für eine gewisse Sünde 
eine gewisse Geldsumme bezahlt worden sey. Mit diesem 
Ablaßhandel war man besonders zu Luther's Zeiten ganz 
unverschämt. 
Im Evangelio ruft Jesus seinen Jüngern zu : „W e r 
da will der Vornehmste seyn, der sey euer 
Knecht, gleichwie des Menschen Sohn ist nicht 
gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern 
daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlö¬ 
sung für Viele." Aber bald ward aus dem Papste, der 
ein Stellvertreter Christi seyn wollte, ein weltlicher Herr¬ 
scher, der nicht etwa mit seinem Lande sich begnügte, sondern 
über alle Lander, wo Christen wohnten, gebieten wollte,
	        
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