Temperamente.
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wieder gleich gut machen. Eine traurige Begebenheit rührt
ihn bald zu Thränen. Zu seinen Mängeln gehören Unbestän¬
digkeit, Leichtsinn und Unentschlossenheit; das Gegengewicht
halten hingegen Gutmüthigkeit, Liebenswürdigkeit und Edel-
muth. Dieser Mensch gehört zu den Leichtblütigen, oder
er besitzt das sanguinische Temperament.
Der zweite ist von angenehmem Aeussern. Seine Augen
sind feurig und durchdringend; in seinem Körper liegt Fülle
und Stärke, in seinem Benehmen viel Anstand und Würde.
Er ist gern thätig, doch nicht anhaltend. Die Furcht scheint
ihm fremd, weil er seine Kraft fühlt. Er wird leicht zornig
und zur Rache geneigt. Er will gern verehrt und bewundert
sein, herrschen und gebieten, daher man ihm Stolz vorwirft.
Dieser Mann gehört zu den Warmblütigen und hat das
cholerische Temperament.
Der dritte, etwas blass im Gesicht, mit festemund ruhigem
Blicke, ist oft in sich gekehrt und für die Freude wenig empfäng¬
lich. Hat er sich zu etwas entschlossen, so führt er es auch,
aller Mühe ungeachtet, aus. Der Witz ist ihm wenig, dagegen
mehr der Scharfsinn eigen. Oft zeigt er heiteren Ernst, jedoch
zuweilen Neigung zum Trübsinn. Er sucht nicht viele, aber
treue Freunde. Es gehört ihm überhaupt an: fester Wille und
Beharrlichkeit, verbunden mit Hartnäckigkeit und Abgeschieden¬
heit. Bei ihm findet man das melancholische Temperament;
er ist ein Schwerblütiger.
Der vierte sieht wohlgenährt, fast aufgedunsen ans. Sein
Auge ist matt und starr. Er liebt eine behagliche Ruhe, arbeitet
langsam und ungern, schläft lange und kann viel Wärme
ertragen. Wie der Körper, so liebt auch sein Gemüth die
Ruhe. Die Einbildungskraft ist selten bei ihm rege. Er ist
gleichgiltig gegen Freuden und Leiden. Weil ihm das Erwer¬
ben schwer scheint, so scheut er jede Ausgabe und hat Nei¬
gung zum Geize. Er ist furchtsam und eigensinnig. Zn seinen
guten Eigenschaften gehören Bedachtsamkeit, Gelassenheit und
Ordnungsliebe. Dieser ist ein Kaltblütiger und von phleg¬
matischem Temperament.
Dem gemäss gibt es also vier Temperamente, das des
Leichtblütigen, des Warmblütigen, des Schwerblü¬
tigen und des Kaltblütigen, oder das sanguinische,
cholerische, melancholische und phlegmatische.
Man ist der Meinung, dass die Beschaffenheit unseres Körpers
auf das Gefühls- und Begehrungsvermögen Einfluss habe, und
in früheren Zeiten wollte man beides vom Blute herleiten, daher
jene Benennungen. Gegenwärtig versteht man unter Tempera-