Die Baumwollenstaude und die Baumwollen-Manufactur. 435
andere auf die rothbraunen Handschuhe, welche die Mutter mitzubringen
versprach.
Das wollene Tuch hat der Färber mit einer Abkochung von Brrken-
blättcrn und Alaun gelb gefärbt, die Handschuhe aber bekommen ihre Farbe
durch Alaun und die Rinde des Baumes. Erkrankt einmal Einer an Grcht
und Gliederreißen, so thut man die im Frühjahr gesammelten Knospen
der Birke in heißes Wasser und bereitet dem Kranken ein Bad, das ihm
die Schmerzen lindert und gewöhnlich auch Heilung verschafft. War aber
die Krankheit zum Tode, so wird dem Geliebten eine Birke auf's Grab
gepflanzt.
In den Wäldern suchen auch die Thiere diesen Baum auf. Das Reh
und das Elenn lagern sich in seinem Schatten, wenn sie Mittagsruhe hal¬
ten. Das prächtige Birkhuhn baut sein Nest unter das schützende Dach
seiner Zweige, die den scheuen Vogel mit Nahrung bewirthen, er mag kom¬
men , wenn er will. Im Winter reicht ihm der Baum die Knospen, im
Sommer die Blüthen, im Herbst den Samen dar;- unter der weißen Riude
sucht auch das Würmlein seine Speise.
Treuer als die Eiche ist sie dem Menschen bis in die nördlichsten Län¬
der gefolgt, wenn sie auch darüber zum Zwerge und Krüppel werden mußte.
Mit Recht wird sie darum von den Nordländern in Liedern besungen, wie
wir in Liedern die Eiche preisen.
* Die Saumwollenstaude und die SaumwoUcn- Manufactur.
Schon die Alten nahmen dem Schafe Pelz und Wolle ab und verfer¬
tigten sich wärmende Kleider daraus; sie schon verstanden die Kunst des
Wollespinnens und der Wollenweberei. Daß man aber die wollenartigen
Fasern, mit welchen gewisse Pflanzen ihre Samenkörner einhüllen, zu Klei¬
dungsstücken verarbeiten würde, davon hatten die Alten keine Ahnung, das
blieb der neuern Zeit vorbehalten. Denn heutzutage liefert gar häufig-eine
ausländische Pflanze das Material zu unserer Bekleidung; es ist die Baum¬
wollenstaude, deren Stengel aus einer sasrigen Wurzel 2 — 3' in die Höhe
treibt und nach oben hin mit schwärzlichen Punkten besprengt ist. Sie wächst
in Ost- und Westindien, in Aegypten und Südamerika wild, wird aber
auch im Großen angebaut. Erinnert ihr euch der Zitterpappeln oder Espen,
wenn sie im Frühjahre ausgeblüht haben? Ganz ähnlich, nur in größerer
Masse, quillt aus den Samenkapseln der Baumwollenstaude, die etwa die
Größe einer welschen Nuß haben, die schneeweiße Baumwolle hervor, welche
nur von den Hülsen und Samenkörnern gereinigt zu werden braucht, um
sogleich verarbeitet werden zu können.
In diesem rohen Zustande wird die Baumwolle zur See nach England,
Deutschland u. s. w. in Millionen Ballen eingeführt, und im erstern allein
finden über lx/2 Million Menschen durch die Bereitung der Baumwolle,
d. h. die Baumwollen - Manufactur, Beschäftigung und Verdienst. Wenn
diese ungeheure Baumwollen-Masse mit Händen gesponnen werden sollte,
dann würde wohl manches Pfund ungesponnen bleiben. Da erfand 1767
ein Weber in England die erste Spinnmaschine, welche später noch bedeu¬
tend verbessert ward, und heutzutage wird kein Faden Baumwolle mehr mit
der Hand gesponnen. Meint ihr, daß es sonst möglich wäre, eine Elle
Baumwollenzeug, deren Material in Indien wächst, dessen Garn gesponnen
und gewebt werden mußte, für 1 Groschen herzustellen? Würdet ihr sonst
ern ganzes, schönes, buntgedrucktes Kattunkleid für 1 Thlr. erhalten können?
Und dabei leben noch Hunderte von Menschen davon: der Pflanzer, der die
Baumwolle baut; der Schiffer, der sie über das Meer führt; der Kaufmann,
der das rohe Material verkauft; der Fabrikant, der Weber und zuletzt der