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Prüfung ihre Schlußgrenzen setzte, die Schleusen de» Himmels öffnete und
dem tobenden, sonst unbesiegbar gebliebenen Elemente gebot: „Bis hieher
und nicht weiter".
Die Verheerung des Brandes erstreckte sich ungefähr über den dritten
Theil der Stadt. Es brannten und wurden niedergeschmettert 4219 Ke»
bände. Ueber 100 Personen kamen dabei um und mehr als 21,000
Menschen wurden obdachlos. — Gott erweckte aber alsbald in allen Län¬
dern Europa's die Herzen zur thätigsten Bruderliebe. Fast dritthalb Mil¬
lionen Thaler kamen an mildcü Spenden zur Unterstützung der so schwer
Heimgesuchten zusammen. und Gott gab seinen Segen dazu. Schöner
als zuvor erstand nach Kurzem Hamburg aus seinen Schutt- und Trüm¬
merhaufen. ___ N-ch «. Steffens.
*38. Der Strom.
#38. Ein Lehrer wandelte mit seinen Schülern am Ufer der
Donau. Lange verweilte ihr Blick bei den gewaltigen Fluthcn;
denn sie wälzten sich ruhig hinab und glichen einem ungeheuern ge¬
glätteten Spiegel. Da fragte ein Schüler: „Wie ist es nur möglich, daß
der große und mächtige Strom so still und geräuschlos dahin fließt?"
„Dieß kommt von seiner Tiefe, antwortete der Lehrer; denn nur
seichte Wässer rauschen; die aber tiefen Grund haben, fließen still
und sanft dahin."
Und also ist es auch im menschlichen Leben. Nur seichte Thoren
find es, die da viel Lärm machen und durch Geräusch ihre Schwäche
ankündigen. Das äußere Leben des Menschen aber, dessen.Glaube, Wan¬
del und Kenntnisse tiefen Grund haben in seinem Innern, ist still
und geräuschlos; denn er weiß ja, „Worte thun es nicht,
sondern d^s Werk lobt den Meister."
Aber auch mit der Zeit ist es, wie mit dem Strome. Gleichwie
hier das Wasser vor unsern Augen verschwindet, also vergehen auch
die Tage und Stunden, und gleichwie die millionenmal Millionen
Tropfen, die in diesem Augenblicke vorüberfließen, unwiederbringlich
dahin sind, also ist auch der Augenblick, in dem wir sie wahrnehmen,
unwiederruflich im Strome der Zeit verschwunden, um hin zu eilen
nach dem unendlichen Meer der Ewigkeit.
Darum lasset euer Leben in der Zeit nicht verfließen in nutzlos
verlebte, verdorbene Tage! Jeder wird auferstehen von den Todten in'S
ewige Leben, entweder zum Gericht oder zur Seligkeit. Aber be¬
denket auch, daß ihr Eigenthümer nur des heutigen Tages seid und
die vergangenen unauslöschlich schon eingeätzt sind im Buche eures Lebens.
39. Der Werth des Menschen.
39. Sem, der Sohn Noahs, stand eines Tages mit aufgerich¬
tetem Antlitze und schaute sinnend zur Sonne empor. Da trat Noah,
sein Vater, zu ihm und sprach: „Was siehest du?" Sem aber ant¬
wortete und sprach: „Ich betrachte jenes himmlische Wesen, welches