Full text: Für die Oberklassen (Theil 2)

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Ehre des Gastrechts halten. Noch hat man sich kaum nieder¬ 
gesetzt, als ein Eilbote die Gräfin aus dem Saale ruft. Es wird 
ihr gemeldet, dass in einigen Dörfern unterwegs die spanischen 
Soldaten Gewalt gebraucht und den Bauern das Vieh weggetrie¬ 
ben hätten. Katharina war eine Mutter ihres Volkes; was dem 
ärmsten ihrer Unterthanen widerfuhr, ergriff sie, als wäre es ihr 
seihst zugestossen. Aufs Aeusserste über diese Wortbrüchigkeit 
entrüstet, doch von ihrer Geistesgegenwart nicht verlassen, be¬ 
fiehlt sie ihrer ganzen Dienerschaft, sich in aller Geschwindigkeit 
und Stille zu bewaffnen und die Schlosspforten wohl zu verrie¬ 
geln; sie seihst begibt sich wieder nach dem Saale, wo die Fürsten 
noch hei Tische sitzen. Hier klagt sie ihnen in den beweglich¬ 
sten Ausdrücken, was ihr eben hinterbracht worden, und wie 
schlecht man das gegebene Kaiserwort gehalten. Man erwiederte 
ihr mit Lachen, dass (liess nun einmal so Kriegsgehrauchsei, 
und dass bei einem Durchmärsche von Soldaten dergleichen 
kleine Unfälle nicht zu verhüten ständen. „Das wollen wir doch 
sehen!“ antwortete sie aufgebracht. „Meinen armen Unterthanen 
muss das Ihrige wieder werden, oder, bei Gott!“ — indem sie 
drohend ihre Stimme anstrengte, — „Fürstenblut für Och¬ 
se nblut!“ — Mit dieser bündigen Erklärung verliess sie das 
Zimmer, das in wenigen Augenblicken von Bewaffneten angefüllt 
war, die sich, das Schwert in der Hand, doch mit vieler Ehr¬ 
erbietung hinter die Stühle der Fürsten pflanzten, und beim 
Frühstück bedienten. Beim Eintritte dieser kampflustigen Schaar 
veränderte Herzog Alba die Farbe; stumm und betreten sah 
man einander an. Abgeschnitten von dem Heere, von einer 
überlegenen handfesten Menge umgeben, was blieb ihm übrig, 
als sich in Geduld zu fassen, und auf welche Bedingung es 
auch sei, die beleidigte Dame zu versöhnen. 
Heinrich von Braunschweig fasste sich zuerst, und brach in 
ein lautes Gelächter aus. Er ergriff den vernünftigen Ausweg, 
den ganzen Vorgang in’s Lustige zu kehren, und hielt der Gräfin 
eine Lobrede über ihre landcsmüfterliche Sorgfalt und den ent¬ 
schlossenen Muth, den sie bewiesen. Er bat sie, sich ruhig zu 
verhalten, und nahm es auf sich, den Herzog von Alba zu 
allem, was billig sei, zu vermögen. Auch brachte er es bei dem 
letztem wirklich dahin, dass er auf der Stelle einen Befehl an 
das Heer ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigenthümern ohne 
Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin von Schwarz- 
burg der Zurückgabe gewiss war, bedankte sie sich aufsSchönste 
bei ihren Gästen, die sehr höflich von ihr Abschied nahmen. 
Schiller.
	        
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