Full text: Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen (Theil 4)

63. Des Vaters Freude. 
Oer Normen dämmerte; da stand Alfred auf der 
Höhe eines Hügels, dessen Scheitel mit Tannen 
besetzt war. Vor ihm lag sein Dörfchen; die Häuser 
waren mit mancherlei Bäumen umpflanzt; und die 
weissen Wände schimmerten freundlich hervor. An 
das Dorf stiessen Gärten, und hinter den Gärten 
erhoben sich an den Hügeln empor fruchtbedeckte 
Felder. Ueber das grüne Wiesenthal hinaus eröffnete 
sich die Aussicht auf ferne blaue Berge. 
Alfred stand unter einer hohen Eiche, welche 
ihre Aeste über die dunkleren Tannen ausbreitete. 
Seine Blicke schweiften auf der Erde und am Him¬ 
mel umher. Er sah bald auf das Dörfchen, bald in 
die weite Ferne, bald nach den leichten Lichtwölk¬ 
chen an dem hohen Firmamente, bald auch vor sich 
auf das Thautröpfchen, das am Grase hing. Die Luft 
wurde heller, die Flur klarer, das Morgenroth 
glühender. Da begann die Morgenglocke zu läuten; 
allenthalben stiegen Lerchen empor, und jetzt zuckte 
der erste Sonnenstrahl von den Höhen herüber. 
Alfred kniete nieder: die milden Morgenstrahlen 
umleuchteten seine Stirne; er faltete die Hände und 
betete voll inniger Andacht. 
Hinter ihm aber, an einer Tanne, stand sein 
Vater. Er war dem Knaben heimlich nachgegangen, 
um zu sehen, wohin derselbe so früh seinen Weg 
nähme. Denn Alfred hatte dies schon viele Tage so 
gethan. Als der Vater sein betendes Kind ansah, da 
kniete auch er nieder; die Thränen aber, die aus 
seinen Augen quollen, waren Thränen der Freude. 
fVie schön ist die Unschuld, wenn sie betet, und 
wie angenehm vor Gott und guten Menschenl 
64. Das Lied vom Samenkorn. 
Der Samann streut aus voller Hand den Samen auf 
das weiche Land, und wundersam! was er gesa't, das 
Körnlein wieder aufersteht. 
Die Erde nimmt es in den Schooß und wickelt es im 
Stillen los; ein zartes Keimlein kommt hervor und hebt 
sein röthlich Haupt empor.
	        
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