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daher ist das Feudalsystem niemals in Norwegen aufgekommen. Schwe¬ 
den hat einen uralten mächtigen Adel, Dänemark einen zurückgedrängten, 
Norwegen gar keinen.*) 
4. 
Heu- und Kornernte in Norwegen.**) 
In einem Lande wie Norwegen, welches eigentlich nur zwei Jahres¬ 
zeiten, Sommer und Winter, besitzt, muß man „Heu machen, während die 
Sonne scheint". Der Frost bleibt gewöhnlich vom October bis zum Mai 
oder bis zum Anfang Junius in der Erde, und kein vorübergehendes Thau- 
wetter vermag die Oberfläche des Bodens zu durchdringen, wenn dieselbe 
einmal festgefroren ist. Häufig tritt der Winter so schnell ein, daß die 
Früchte nur mit genauer Noch eingeerntet werden können und keine Zeit 
zum Pflügen übrig bleibt. Hat die Sonne aber im Frühling einmal das 
Eis gesprengt, so ist sie durchaus nicht blöde und ruft mit lauter Stimme 
die Kräuter und Pflanzen hervor. Ein zweifelhafter Sommer bringt bent 
Landmann sicher Verlust, denn die schöne Jahreszeit ist so kurz, daß jeder 
verlorene Tag nicht zu ersetzen ist. Selbst in gewöhnlichen Jahren wendet 
der Ackerbauer manche kleine Kunstgriffe an, welche in mehr begünstigten 
Ländern nicht allein unbekannt, sondern auch unnöthig sind. 
Die Heuernte dauert vom Ende des Julius bis zum Ende des August 
oder Anfang des Septembers; alle arbeitsfähigen Hände sind dann in An¬ 
spruch genommen, und das Pferd, welches der Postreisende verlangt, wird 
nur mit Murren und Grollen hergegeben. Die Wiesen gleichen den eng¬ 
lischen nickt; das niedrige Gras ist dick mit Unkraut und wilden Blumen 
durchwachsen. Weiber sowohl wie Männer sind mit Mähen beschäftigt; 
das geschnittene Gras wird gemeiniglich auf besondere Gerüste im Felde 
gelegt, damit es von jedem Sonnenstrahl und Lüftchen Vortheil ziehe. 
Sobald dasselbe trocken genug ist, wird es auf Heuschleifen eingefahren — 
Karren, welche einer auf hölzernen Schlittschuhen ruhenden Krippe gleichen 
und hinten zwei kleine Räder von der Größe eines Tellers haben. Diese 
vermögen nur eine geringe Ladung sortzuschaffen und contrastiren sehr 
mit den großen englischen Heuwagen. 
Das Heu wird nicht in Schobern aufgestapelt, sondern es wird auf 
den Boden der großen Scheune gebracht, welche einen Theil jeder Haus¬ 
stätte bildet. Man schafft es vermittelst einer geneigten Ebene hinaus, die 
gewöhnlich von kreuzweise gelegten Stämmen gemacht und so stark ist, daß 
Pferde und Karren dieselbe passiren können. Auf der Höhe angelangt, 
wird das Heu abgeladen und auf dem Boden über dem Stall niederge¬ 
legt. Zur Ernährung des Viehes während des langen Winters heimset 
man nicht allein Heu und Stroh ein, sondern auch noch die Blätter ver¬ 
*) Steffens, die gegenwärtige Zeit. II., S. 419 ff. 
**) Nach dem Englischen von Dr. Ed. Zill.
	        
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