Full text: Deutscher Schul-, Haus- und Kinderfreund

304 
für Den, der aus dem Schweizerlande hinüber nach Italien zu wan¬ 
dern hat, führt über den hohen, mit Schnee bedekkten St. Golt- 
Hardsberg. War auch unten im Thale das Wetter noch so gün¬ 
stig, lachte auch die Sonne noch fo freundlich, da ist auf keinen Be¬ 
stand zu hoffen. Plötzlich bricht der Sturm los und verweht jeden 
Pfad, den der menschliche Fuß bahnte; Schneelawinen walzen sich 
donnernd daher, reißen Alles mit sich nieder und bedekken wie ein 
furchtbares weißes Leichentuch Lebendiges und Todtes, was ihnen 
rm Wege ist. Mancher Reifende scholl, der jene Pfade wandelte, 
sah die Seinen nie wieder, fand dort oben sein Grab. Dñ 
hat znc Verminderung des Elends nahe an der Straße, wo man 
nach Italien zieht, die Menschenliebe, in einer Höhe von 7600 Fuß 
über der Meeresfläche, ein Kloster erbaut, das von zehn bis zwölf 
Mönchen mit ihren Dienern bewohnt wird, die es zur heiligsten 
Pflicht ihres mühevollen Lebens machen, dem Wanderer die Be¬ 
schwerden der Reise zu erleichtern und den Hilfsbedürftigen beizu¬ 
springen. Gastfreundlich heißen die edlen Männer jeden Fremden 
willkommen, erquikken ihn durch Speise und Trank, gewahren ihm 
Obdach und Ruhe und verlangen nichts, als die Belohnung ihres 
eigenen Herzens, ein gutes Werk vollbracht zu haben. Sie durch¬ 
wandern aber auch die ganze Gegend, zumal wenn Sturm und 
Unwerrrr hereingebrochen sind, und suchen die Verirrten, die Er¬ 
matteten, die Erstarrten, die Verschütteten auf, um ihre rettenden 
Engel zu werden, oder die Todten in das kühle Bett von Erde zu 
legen. Bei diesem mühsamen und gefährlichen Berufe sind abge¬ 
richtete Hunde ihre beständigen Begleiter. Diese treuen Thiere — 
zottige, braune und gelbgeflekkte Doggen von der Größe eines Kal¬ 
bes, mit großem Kopfe, gestcekktec Schnauze, großen Stirnhöhlen 
und starken Knochen spüren durch ihren feinen Geruch Verunglükkte 
auf, wo sie kein Mensch gesucht haben würde, und scharren Er¬ 
starrte oft aus einem zehn und mehrere Fuß tiefen Schnee hervor. 
Durch Bellen, Wedeln, Hin- und Herlaufen kündigen sie ihren 
Herren an, Jemanden gefunden zu haben, und lassen nicht eher 
ab, bis man sie zu der Stelle, wo der Unglükkliche liegt, begleitet. 
Auch allein gehen sie aus, um Menschen zu suchen, und alsdann 
hangt man ihnen gewöhnlich eine Flasche mit einem erwärmenden 
geistigen Getränke an den Hals. Kommen sie nun zu einem Er¬ 
müdeten oder Verirrten, so bleiben sie geduldig stehen, lassen sich 
die Flasche abnehmen, damit der Wanderer durch einen Trunk sich 
erquikken könne, und geleiten ihn sicher bis zur Herberge ihrer Hcr» 
ren. — Vorzüglich hat sich eins dieser guten Thiere Barry war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.